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Bitte anschnallen! - Die Eröffnungs-Pressekonferenz

Noch vor der offiziellen Eröffnungsfeier später am Nachmittag fand am heutigen Dienstag die Eröffnungs-Pressekonferenz stannd. Neben Prof. Dr. Gottfried Honnefelder (Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels) und Juergen Boos (Direktor Frankfurter Buchmesse) war Jesús Badenes (Verlagsgruppe Planeta, Spanien) auf dem Podium. 

Professor Honnefelder stellte das Thema Neue Medien in den Mittelpunkt seiner Rede. Die Lesefreudigkeit sei ungebrochen, 90% der Deutschen hätten mindestens ein Buch pro Jahr gelesen. Allerdings sieht der Chef des Börsenvereins eine Verschiebung bei den Lesemotiven: Es gehe vor allem um Unterhaltung, Informationen holt man sich immer stärker aus dem Netz. Das Verhältnis zwischen digitaler und gedruckter Welt habe noch nicht seine endgültige Form gefunden, noch "knirsche" es. Wird sich das Buch- und Verlagswesen die Kulturtechniken des elektronischen Mediums dienstbar machen und sie dadurch befördern, oder werden die neuen, eigenen Regeln und Gesetze zur Auflösung der tradierten Buchkultur führen?

Die zentralen Fragen, so Honnefelder, seien, wie kann man mit digitalen Inhalten Geld verdienen? Wie kann man auch in Zukunft für die Inhalte der Autoren "Permanenz, Selektivität und Öffentlichkeit im Markt" gewährleisten? Und wie kann man Öffentlichkeit gewährleisten, wenn die nahezu unbegrenzte Zugänglichkeit die gewohnten Kalkulationen durcheinanderbringt?

Außerdem wandte er sich dem diesjährigen Ehrengast China zu. Die Verleger und Buchhändler sind stolz auf "ihre" Messe, die sie ohne wirtschaftliche oder politische Abhängigkeiten selbst ausrichten. Der Börsenverein vertrete die Meinungsfreiheit als ein unveräußerliches Grundrecht. Deshalb wolle er bei der Eröffnungsfeier der Hoffnung Ausdruck geben, dass die Kollegen, die Autoren und Verleger, in China die notwendige Freiheit für ihr Leben und ihre Arbeit haben. In den kommenden Tagen, hofft Honnefelder, möge die Vielfalt Chinas erfahrbar werden und jener Austausch von Meinungen, Ansichten und Themen geschehe, an dem Börsenverein und Buchmesse so gelegen sei.

Auch Buchmessen-Direktor Jürgen Boos widmete sich dem Ehrengast und ging auf die Meinungen und Kritik zur Wahl Chinas als Gastland ein. Man könne China bewundern, fürchten oder kritisieren, aber man könne es nicht ignorieren, ist sich Boos sicher. Danach ging er auf die wirtschaftliche Situation der Buchmesse ein. Man sei mit der Geschäftsentwicklung sehr zufrieden. Allerdings gehe die aktuelle Krise auch an der Buchmesse nicht spurlos vorbei, im Vergleich zum Vorjahr wurden etwa zwei Prozent Fläche weniger vermietet. Vor allem aus dem englischsprachigen und osteuropäischen Bereich haben hätten viele Aussteller ihre Flächen reduziert. Die überwiegend deutschsprachigen Hallen 3 und 4 sind jedoch wieder ausverkauft, konnte Boos vermelden, für den Kinderbuch- und den Kunstbuch-Bereich gebe es sogar Wartelisten.

Über 400.000 Bücher aus rund 100 Ländern sind dieses Jahr auf der Buchmesse zu sehen. Boos verwies auf ein Quellenverzeichnis afrikanischer, lateinamerikanischer und asiatischer Literatur in Deutschland. Aus China seien dort vor der Messe etwa 80 Titel verzeichnet gewesen - nach der Messe würden es 400 Titel sein. Allerdings sei die Buchmesse nicht die UNO. Man könne Konflikte aufzeigen, diese aber nicht lösen. Die Buchmesse dürfe einen politischen Diskurs auslösen, unbequem für alle Seiten sein. Und sie dürfe sich mit Ländern beschäftigen, die öffentliche Kritik auf sich ziehen. Die Buchmesse könnte sich, so Boos, auf Ehrengastländer beschränken, die für weniger Kritik sorgen würden, etwa Österreich und Dänemark. Man habe sich jedoch bewußt immer wieder auch Ländern zugewandt, die sich in gesellschaftlichen Umbruchphasen befinden, etwa mit dem Iran, der Türkei, Südkorea oder Indien.

"Um es ganz klar zu machen: Wir verurteilen die Menschenrechtsverletzungen und Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit in der Volksrepublik China auf das Schärfste!", stellte Juergen Boos klar. Aber das Ausblenden unangenehmer Themen habe noch keinen Veränderungsprozess beschleunigt, ganz im Gegensatz zu Offenheit. Die Buchmesse müsse eine Plattform für eine Vielfalt von Stimmen sein, sie müsse als Diskursplattform mit klaren Regeln die Meinungsfreiheit garantieren. Das bedeutete, dass man zusätzlich zum offiziellen Programm mit dem Ehrengast, der Volksrepublik China, Raum biete für 250 Veranstaltungen von chinesischen Exil-Autoren, Regimekritikern, kulturellen Gruppen  und Menschenrechtsorganisationen.

Aber auch neben dem Ehrengast bietet die Buchmesse 2009 einiges neues, so Boos. Erstmals gibt es eine neuen Ausstellungsbereich "Creative Industries" im Forum, Ebene 0, oder eine Gourmet Gallery in Halle 5.0, die sich rund um das Thema Genuss dreht. Das Spektrum reiche von Konfuzius über Goethe bis Cervantes, vom E-Book-Reader bis zum Erziehungsratgeber. Im Grunde, fasst der Direktor der Frankfurter Buchmesse zusammen, sei die Buchmesse viele Messen in einer.

Jesús Badenes vom spanischen Verlagshaus Planeta befasste sich mit der Rolle eines Verlegers. Für diese Tätigkeit seien vor allem zwei Punkte entscheidend, die Schaffung neuer Inhalte sowie der Vertrieb und die Verbreitung dieser Inhalte. Daran werde sich auch durch das Internet nichts Entscheidendes ändern, es würden aber neue Möglichkeiten beispielsweise für die Interaktion mit den Autoren und der Leserschaft hinzukommen.

Interessant sei, dass das Verlagswesen einer der wenigen Wirtschaftsfelder sei, das nicht von amerikanischen Firmen dominiert werde. Stattdessen spielten europäische Unternehmen wie Bertelsmann, Pearson, Reed Elsevier, Hachette oder sein eigenes Haus Planeta eine herausragende Rolle. In dieser Hinsicht würden neue Möglichkeiten wie eBooks gelegentlich als "Trojanische Pferde" gesehen, mit denen die Dominanz der Europäer in der Branche untergraben werden solle. Allerdings zeige sich immer mehr, dass auch umstrittene Projekte wie Google Books, in dem der Suchmaschinen-Konzern Bücher einscannt und zum Durchsuchen anbietet, stärker Rücksicht auf örtliche Befindlichkeiten und Gesetzeslagen nimmt als zu Beginn. Dieses fairer werdende Spiel müssten die Verleger mitspielen.

Badenes sieht die Aufgabe vor allem darin, zwischen der schöpferischen Tätigkeit einerseits und dem Vertrieb und der Verbreitung andererseits einen Ausgleich zu finden. Neue Technologien machen es immer leichter, Inhalte in Echtzeit auf der ganzen Welt zu verbreiten. Das gefährde "das empfindliche Ökosystem, in dem wir leben und arbeiten", meint der Verleger.

Auf dem Gebiet der Verbreitung würden die "neuen Technologie-Riesen" wie Amazon und Google ihre bereits außerordentliche Stärke mit einem nach Badenes' Meinung sehr populistischen Ansatz verbinden, der sich im Begriff "fairer Zugang" ausdrückt. Dahinter verberge sich seiner Meinung nach eine "profunde Missachtung der bestehende Urheberrechtsgesetze", die die Schaffung von hochkarätigen Inhalten erst ermögliche. Der Verleger deutete auch einen Vergleich zu den Ideen des Kommunismus an, bei dem sämtliche Vermögenswerte - in diesem Fall, sämtliche Inhalte - einer zentralen Stelle übergeben würden, die diese dann verteilten. 

Um diesem Ungleichgewicht zu begegnen, sollten die Verleger zu etwas greifen, worin sie in der Vergangenheit nicht unbedingt zu Meistern wurden, zur Teamarbeit. Die Buchmesse könne eine Plattform auch für die Analyse der neuen Herausforderungen sein.

Wichtig sei auch, dass die Grundsätze des Urheberrechts nicht aufgegeben würden. Badenes verglich die Situation mit der der Automobilindustrie, die ebenfalls große Umwälzungen auf sich zukommen sieht. Eine Aufgabe der Grundsätze "wäre ganz so, als wolle man der Autoindustrie die Eigentumsrechte an den von ihr erarbeiteten Erfindungen und neuen Verfahren verweigern."

Dann kehrte der Verleger wieder zu seinem Anliegen einer verstärkten Teamarbeit zurück. Nicht jeder könne und solle, gerade im Bezug auf eBooks, das Rad einzeln für sich nochmal erfinden. Planeta habe sich deshalb mit einigen Partnern zusammengeschlossen, um auf einer gemeinsamen Plattform bis Mitte nächsten Jahres den spanischen Lesern 6.000 Titel zugänglich zu machen. Diese Plattform werde allen spanischen Verlegern Zugang zum E-Markt bieten, egal ob sie dafür Ressourcen zur Verfügung stellen oder nicht.

Badenes schließt mit dem Gedanken, dass die Wahlfreiheit erhalten bleiben müsse. Der einzelne Schriftsteller müsse im Zusammenwirken mit seinem Verleger entscheiden können, ob er das Ergebnis seiner geistigen Arbeit kostenlos zur Verfügung stellt (eine durchaus legitime Option, wie der Redner anfügt), oder ob er am damit erzielte Erlös beteiligt werden möchte. Die Verantwortung für die Erhaltung dieser Wahlfreiheit, für die Wiederherstellung des oben erwähnten Gleichgewichts zwischen dem Schaffen und dem Verteilen von Inhalten obliege öffentlichen Institutionen, die von Regierungen geführt werden.

Auffällig in Badenes' Rede waren viele Zitate aus vor allem chinesischen Kriegsweisheiten. Wichtig waren ihm beispielsweise die Weisheit von Sun Tzu, "Derjenige, der weiß wann er kämpfen kann und wann nicht, wird den Sieg
davon tragen." In diesem Kampf sollten sich, meinte der Redner, die Verleger mit ihren Konkurrenten, also anderen Verlegern zusammenschließen, weil sie sonst nicht bestehen könnten.

Alle drei Redner waren also der Meinung, dass der Buchbranche eine aufregende und interessante Zeit bevorstehe. Jesús Badenes fasste es im Titel seines Beitrags mit den Worten zusammen: "Bitte anschnallen! Turbulenzen voraus!"



Daten dieses Berichts
Bericht vom: 13.10.2009 - 15:07
Kategorie: Tagebuch
Autor dieses Berichts: Henning Kockerbeck
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