Osiris Ritual
Story:
Von einer Expedition nach Ägypten wird eine Mumie mitgebracht. Der Kunstmäzen Lord Winthrop lässt den Sarkophag des Priesters bei einer Veranstaltung in seinem Haus öffnen, zu der neben der High Society Londons auch Sir Maurice Newbury eingeladen ist. Es stellt sich heraus, dass der Leichnam vor unzähligen Jahrhunderten bei lebendigem Leibe einbalsamiert wurde. Wenige Tage später werden sowohl der reiche Finanzier als auch ein weiteres Mitglied der Expedition ermordet aufgefunden. Ist ein Fluch am Werk, ein eiskalter Mörder oder ein Agent, der offiziell als tot gilt? Während Newbury dem Rätsel der Mumie nachgeht, versucht seine Assistentin Veronica Hobbes eine Reihe von Vermisstenfällen aufzuklären und gerät dabei in höchste Gefahr.
Meinung:
Im Februar 2012 erschien mit "Osiris Ritual" der Nachfolgeband zu George Manns Steampunk-Abenteuer "Affinity Bridge" auf Deutsch. Beim ersten Teil der Trilogie orientierte man sich noch am Titelbild des Originals. Teil zwei erhielt hingegen ein eigens Cover. Leider fängt es nicht den Charme der englischsprachigen Buchgestaltung ein und wirkt nach der Lektüre des Romans ziemlich losgelöst von der Geschichte. Die nebulöse Ansicht Londons passt jedoch sehr gut zum gewonnenen Leseeindruck, denn richtig überzeugen kann George Manns zweites Werk nicht.
Beim zweiten Abenteuer des Ermittler-Duos im Auftrag der Krone, Sir Maurice Newbury und Veronica Hobbes, bedient sich der 1978 geborene Brite George Mann eines klassischen viktorianischen Sujets: die Abenteuer- und Entdeckerlust der Zeit, in der gerade zu Anfang des 19. Jahrhunderts London mit Paris um die Schätze der Antike buhlte und sich beide Metropolen als "Neues Ägypten" inszenierten. Die pompöse Präsentation einer Mumie in einem viktorianischen Stadthaus fällt also gar nicht so sehr aus dem Rahmen, wie es zunächst den Anschein hat. Zudem fängt Mann die Oberflächlichkeit vieler Zeitgenossen von Newbury und Hobbes ein. Statt sich der wissenschaftlichen und historischen Sensation einer schreienden Mumie zu widmen, ergötzen sich die Partygäste an dem alten "Sehen und gesehen werden"-Spiel.
Ebenfalls in die Zeit passt die Gleichgültigkeit vieler viktorianischer Zeitgenossen gegenüber dem Verschwinden der jungen Frauen aus den eher ärmlichen Gegenden Londons. Im East End oder in White Chappel dürfte dies des Öfteren vorgekommen sein und genauso oft einen harmlosen Grund gehabt haben. Selten dürfte es so glühende Ermittlerinnen wie Veronica Hobbes gegeben haben, die dem Rätsel auf den Grund gegangen sind.
Bei der Wahl der Rahmenhandlung hat George Mann durchaus den Nerv der damaligen Zeit getroffen. Leider kann der Roman vor allem auf der sprachlichen Ebene nicht überzeugen.
Noch stärker als in "Affinity Bridge" fällt ein narratologisches Limit bei der Beschreibung von Figuren und Handlung ins Auge. Maurice, Veronica und alle anderen auftauchenden Personen scheinen nur begrenzte Mimikfähigkeiten zu besitzen. Sie nicken und sie lächeln, aber zu viel mehr scheinen sie nicht in der Lage zu sein. Das scheint an die weniger schmeichelhaften Witze über diverse Stars des US-Actionkinos erinnern, denen genau dieser Mangel an schauspielerischer Leistung zum Vorwurf gemacht wird. Auch bei der Beschreibung der Häuser fallen die vielen typisch viktorianischen Stadthäuser mit Hanglage auf, so dass der Eindruck einer Reihenhaussiedlung entsteht, so ähnlich scheinen sich die paar Domizile zu sein, die Newbury und Hobbes im Lauf ihrer Ermittlung aufsuchen.
Ein großer Teil der Geschichte widmet sich einer Verfolgungsjagd zwischen Newbury und einem Tatverdächtigen. Dieser Abschnitt ist sehr rasant erzählt, nur am Ende stellt sich die Frage: War da was? Als Film oder Hörspiel dürfte diese Szene weitaus imposanter und spannender wirken, als in der geschriebenen Form.
Auf den Cliffhanger zum Ende von "Affinity Bridge" wird in "Osiris Ritual" wenig eingegangen. Der Beziehung zwischen dem dem Okkultismus nahestehendem Sir Maurice Newbury und der heimlichen Agentin Veronica Hobbes wird wenig Raum gegeben, ermitteln beide doch über den Großteil des Romans getrennt voneinander. Erst am Ende des Buches, mit dem Finale und dem Epilog wird der Faden wieder aufgegriffen und endet dort, wo die meisten Leser es vermutet haben. So bleibt zwar genügend Raum für die weitere Entwicklung dieser Beziehung, aber etwas früher hätte Maurice hinter das Geheimnis seiner liebreizenden Assistentin schon kommen dürfen. So bleibt Mann abermals nur der Epilog, um für Spannung zwischen den beiden zu sorgen.
Eine weitere Veränderungen in ihrem Leben erfährt indes Veronicas Schwester. Mit Sicherheit wird auch ihr Schicksal im nächsten Teil, "Immorality Engine", näher beleuchtet werden. Fällt der Abschlussband der Trilogie jedoch sprachlich genauso aus wie "Osiris Ritual", wird auch der nächste Band nur etwas "für Zwischendurch" sein.
Fazit:
Die Ausgangslage von "Osiris Ritual" ist recht klassisch und entspricht dem Zeitgeist des viktorianischen Englands. Leider fehlt der Geschichte die sprachliche Brillianz, um vollends überzeugen zu können. Fans des Steampunk-Genres dürften sich dennoch angemessen unterhalten fühlen.
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