Judassohn
Story:
Nach den Ereignissen des vorherigen Bandes hat sich für die Vampirin Sia einiges geändert. Sie hat ihre Existenz jetzt ihren letzten Nachkommen enthüllt und lebt mit ihnen zusammen. Doch das Idyll wird durch einen Neuankömmling gestört, der vor allem ein Ziel hat: Rache an der Person, die vor Jahrhunderten sein Leben vernichtet hat. Und damit ist Sia gemeint!
Meinung:
Mit "Judassohn" schreibt der deutsche Autor Markus Heitz die Fortsetzung zu Kinder des Judas. Mit dem Band "Judastöchter" schließt er dann diese Trilogie um die Vampirin Sia ab.
Im vorherigen Roman sah sich die Vampirin Sia gezwungen, ihre mühsam aufgebaute Existenz in Leipzig aufzugeben, da ihr Halbbruder Marek - ebenso wie sie ein sogenanntes Kind des Judas - wieder aufgetaucht ist. Nach und nach tötet sie ihre letzten Nachkommen, bis auf zwei: Emma und ihre Tochter Elena. Seitdem ist etwas Zeit vergangen.
Marek ist tot, und Sia genießt das Zusammenleben mit ihren letzten Verwandten. Doch dann werden sie eines Tages von einer anderen Vampirin angegriffen, die sich an der Tochter des Judas rächen will. Die Biographie der Angreiferin führt in die Vergangenheit, zur Zeit der Französischen Revolution. Und drei Personen kommen in ihr vor, die auf die eine oder andere Weise mit Sia verbunden sind. Ihr Nachkomme Tanguy, der genauso wie sie vom Tode aufstand und eine Zeit lang als blutsaugendes Monster umging. Dominic, der ihr Erbe antreten soll und davon nichts wissen will. Und die Vampir-Hexe Sandrine, die gemeinsam mit ihre Liebe Anjanka versucht, in jenen turbulenten Tagen zu überleben.
Genauso wie der Vorgänger "Kinder des Judas" ist "Judassohn" äußerst umfangreich. Auf 688 Seiten versucht der Autor das Leben von nicht nur einem, sondern insgesamt drei Protagonisten zu schildern, die allesamt irgendwie zusammenhängen und mit Sia verwandt sind. Dies geht sogar so weit, dass sie, die Hauptperson des vorherigen Romans, dieses Mal zu einer Art Gast-Star verkommt. Bis auf Anfang und Ende taucht sie in der Rückblende nur ein einziges Mal auf, was deutlich zu wenig ist.
Das Problem ist auch, dass der Roman dieses Mal fast nur aus einer einzigen Rückblende besteht. Wo bei Band 1 Gegenwart und Vergangenheit sich noch gegenseitig abwechselten, spielt sich die Handlung im zweiten Buch fast ausschließlich in diesen vergangenen Zeiten ab. Dies hat die Auswirkung, dass die Ereignisse der Gegenwart im Laufe des Buches deutlich an Spannung verlieren, und so Markus Heitz nicht darum kommt, sie nochmal von neuem aufzubauen. Auch baut er einige Sub-Plots ein, die überhaupt nicht aufgelöst werden. Hier heißt es wohl, auf den nächsten Band zu warten.
Dies bedeutet allerdings nicht, dass "Judassohn" nur schlechtes zu bieten hat. Denn die Rückblende hat der Autor gewohnt großartig geschrieben. Als Leser fiebert man mit. Da ist zum einen das Drama um Tanguy, der eines Tages ums Leben kommt, nur um dann als Blutsauger wieder aufzuerstehen und seine gesamte Familie auszulöschen. Darunter auch seine Geliebte, die von ihm schwanger war. Er ist es auch, der seiner Vorfahrin begegnet, was ihn auf drastische Art und Weise verändert.
Danach tauchen die beiden anderen Protagonisten auf. Dominic, der zwar ein Kind des Judas ist, sich aber vollkommen anders benimmt. Er ist an Wissenschaft nicht interessiert, sondern nur daran, eine Gauner-Bande zu gründen und die Gegend unsicher zu machen. Gleichzeitig ist er auch ein Womanizer, vor dem kein Rock sicher ist. Seine Auftritte sind abwechslungsreich, da er doch sehr egozentrisch ist und seine eigenen Pläne verfolgt.
Erotisch sind die Abenteuer von Sandrine, die ebenfalls aus der Art schlägt. Sie ist eine Vampirin und gleichzeitig magisch begabt. Und unheimlich in Anjanka verliebt, eine Blutsaugerin die ihre Opfer vorher verführt. Ihre Erlebnisse sind die wohl wegweisendsten von allen dreien, da hier der Abschluss der Rückblende aufbaut.
Doch exakt dieser ist eine einzige Enttäuschung. Es ist klar, dass alle drei irgendwie miteinander, mit Sia und der Angreiferin zusammenhängen. Doch die Enthüllung und Erklärung wirkt alles andere als überzeugend und kommt wie aus dem Nichts daher. Fast hat man den Eindruck, als ob Markus Heitz nicht wusste, wie er all diese Handlungsfäden zusammenführen sollte, nur um sich dann für diese doch sehr unbefriedigende Lösung zu entscheiden.
Und damit ist "Judassohn" nach dem doch sehr spannenden Vorgänger eher enttäuschend.
Update zur Neuauflage im September 2011
Anlässlich der Neuauflage des Taschenbuchversion von "Judassohn" im September 2011 wurde das Buch um eine Kurzgeschichte erweitert. "Blutmaske", so der Titel jener Erzählung, spielt nach dem Tod von Harm Byrne, einem Nachkommen von Sia.
Zwei Ganoven haben davon erfahren und brechen in das angeblich sichere Penthouse von Harm ein. Dabei entdecken sie neben diversen Wertgegenständen auch eine geheimnisvolle Maske. Als einer der beiden sie aufsetzt, verändert sich die Situation schlagartig. Denn nun ist dieser wie besessen und hinter dem Blut des anderen her.
Der Plot der Geschichte erinnert einen an diverse Horrorfilme, wo es um mysteriöse Gegenstände geht, die das Leben der Person ändern, die sie tragen. Und Markus Heitz gelingt es perfekt, innerhalb von wenigen Seiten, die Bedrohung durch diese Maske aufzubauen. Sie bleibt geheimnisvoll und bedrohlich.
Schade ist nur, dass man nicht mehr über die beiden Räuber erfährt. Sie erhalten Namen und sind durch ihre Art und Weise, wie sie sich verhalten, auseinander zu halten. Doch ansonsten bleiben sie flach und wirken etwas klischeehaft.
Insgesamt kann die Kurzgeschichte überzeugen und ist ein perfektes Extra für die Taschenbuchausgabe von "Judassohn".
Fazit:
"Judassohn" schafft es nicht ganz, an die Qualität des Vorgängers heranzureichen. Zwar sind die Rückblenden durchaus spannend geschrieben. Man fühlt beispielsweise richtig mit Tanguy mit. Doch es herrscht ein Ungleichgewicht zwischen Vergangenheitserinnerungen, die das Buch deutlich dominieren, und der Gegenwart. Jene ist nicht minder interessant, wird jedoch stark vernachlässigt. Komplettisten werden sich das Buch wohl holen, doch für alle anderen gilt, sich einen Kauf vorsichtshalber noch mal zu überlegen.
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