Das Morgen ist immer schon jetzt
Story:
Mickey ist ein ganz normaler Jugendlicher, der mit den üblichen kleinen und großen Problemen kämpft - sein Schulabschluss, das Auf und Ab mit seinen Freunden, und seine erste große Liebe Henna. Darüber hinaus leidet er unter einer Zwangsstörung, die ihn dazu zwingt bestimmte Dinge wie Händewachsen, Anziehen oder das Abschließen einer Tür endlos zu wiederholen. Er gehört nicht zu den Finns, Dylans und Sachtels, die in regelmäßigen Abständen die Welt vor der Vernichtung durch Vampire, Göttern, Seelenfressern und Zombies retten und die in regelmäßigen Abständen die Schule in die Luft jagen. So bekommen er und seine Freunde zwar am Rande mit, dass sich eine neue Bedrohung ankündigt, doch glücklicherweise betrifft es sie nicht direkt, so dass sie sich ihrem Alltag stellen können.
Meinung:
Patrick Ness ist einer der bekanntesten, englischen Kinder-
und Jugendbuchautoren, der mit seinen Büchern unzählige Preise gewinnen konnte,
darunter auch den Deutschen Jugendliteraturpreis für „Sieben Minuten nach
Mitternacht“ (dessen Filmadaption im Herbst 2016 in die Kinos kommt). Er widmet
sich oftmals queeren Themen und baut schwule und lesbische Haupt- und
Nebenfiguren in seine Geschichten ein.
Der Autor fasziniert von Anfang an durch eine ungewöhnliche
Idee – wie leben, handeln und reagieren die Menschen, die nicht Teil der großen
Abenteuer sind, die in so vielen Büchern beschrieben werden? Welche Sorgen und
Probleme haben diejenigen, denen es nicht bestimmt ist ein großer Held zu sein?
Mickey und seine Freunde gehören zu denen, die die Ereignisse nur am Rande
mitbekommen und versuchen sich um ihre eigenen kleinen, persönlichen Probleme
zu kümmern. Zwar werden sie oftmals Zeuge der Kämpfe der sogenannten Indie-Kids
gegen die übermächtige Bedrohung, oder sind auch mal direkt betroffen, doch das
Buch behandelt ihre Geschichten. Die Abenteuer und Heldentaten der Indie-Kids
werden lediglich am Anfang jedes Kapitels grob zusammengefasst.
Patrick Ness gelingt es auf diesem Weg sehr subtil die vielen
Weltrettungsgeschichten, Urban Fantasy und All Age Romane auf die Schippe zu
nehmen, die es seit einigen Jahren gibt. Als Vielleser fallen einem gleich die
Parallelen zu den vergangenen Buchhypes auf, die in den letzten Jahren das
Leben der Menschen in „Das Morgen ist immer schon jetzt“ bedroht haben:
Romantische Vampire („Twilight“), Götter („Percy Jackson“), Zombies („Warm
Bodies“). Auch einen kleinen Hint auf „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“
kann sich der Autor nicht verkneifen. Im Laufe der Handlung findet man es
allerdings doch ein wenig schade, dass Mickey und seine Freunde (fast) gar
keinen Einfluss auf die Ereignisse haben, die um sie herum passieren. Nicht,
dass das unpassend wäre – im Gegenteil. Als Leser wartet man nur fast darauf,
dass die Charaktere Teil der großen Weltrettungs-Geschichte werden.
Lässt man die fantastischen Aspekte weg, bleibt eine solide
Jugendbuch-Handlung, die mit den üblichen Problemen einhergeht: erste Liebe,
Probleme mit den Eltern, Erwachsen werden. Mickey ist der typische, leicht
unsichere Hauptcharakter, der seit Jahren in Henna, ein Mädchen in seiner
Clique verliebt ist, sich aber nicht traut es ihr zu sagen. Nathan, den
gutaussehenden Neuzugang, mag er weniger, da dieser (nicht nur) Henna gefällt und
er sich gerne in den Mittelpunkt drängt. Sein bester Freund Jared ist zwar
schwul, doch mit ihm verbindet Mickey eine Menge, wenngleich ihre Beziehung zumeist
rein platonisch bleibt. Seine Schwester Mel, die ebenfalls mit einigen
Problemen zu kämpfen hat, komplettiert die Gruppe.
Die Figuren sind sehr lebendig und authentisch. Da die Geschichte aus Mickeys
Sicht beschrieben wird, kann man sich gut in ihn hineinversetzen und seine
Gedanken und Gefühle sehr gut nachvollziehen. Auch die übrigen Charaktere sind
in sich schlüssig und passen gut zur Handlung.
Stilistisch legt Patrick Ness gewohnt solide Kost vor. Er
hat keinen wundervollen, sehr authentischen und angenehm lesbaren Schreibstil.
Er hat ein Händchen dafür Bücher für Jugendliche zu schreiben, denn seine
Sprache passt sehr gut zu seinen jungen Hauptcharakteren. Zu Beginn braucht man
zwar etwas, um in die Geschichte zu kommen, da zunächst die Zusammenfassungen
der Indie-Kids vor den Kapiteln verwirren und die Szene mitten in einem
Gespräch von Mickeys Clique einsetzt, doch mit der Zeit kommt man damit klar.
Es lohnt sich auf jeden Fall bei der Sache zu bleiben und sich auf die
zeitgleich stereotype, wie auch ungewöhnliche Geschichte einzulassen.
Fazit:
„Das Morgen ist immer schon jetzt“ ist ein ungewöhnlicher
Jugendroman, der sowohl durch die typischen Stereotype eines Jugendbuches
besticht, als auch mit einer ungewöhnlichen und interessanten Grundidee
aufwarten kann. Die Figuren sind sympathisch und machen im Laufe der Zeit eine
spürbare Wandlung durch. Auch stilistisch kann Patrick Ness überzeugen und
beweisen, dass er zu Recht zu einem der bekanntesten Jugendbuchautoren gehört.
Wer seine Romane „Sieben Minuten nach Mitternacht“ oder „Mehr als das“ kennt,
sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren. Es lohnt sich.
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