Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte
Story:
Einst zeugte in großer Philosoph mit einer Dschinn zahlreiche Kinder. Und die wiederum kriegten Kindeskinder. Bis heute einige ihrer Nachkommen durch einen Sturm sagenhafte Fähigkeiten erhalten. Und in einen Krieg der Dschinn!
Meinung:
Es gibt, glaube ich, nur wenige Menschen, die nichts von Salman Rushdie gehört haben. Der durch "Die Satanischen Verse" bekannte Autor hat jetzt mit "Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte" sein neuestes Werk herausgebracht.
Der Autor wurde 1947 in Mumbai geboren. Sein schulischer Werdegang erstreckt sich über die Cathedral and John Connon School in Mumbai, Rugby School in Warwickshire, bis hin zum King's College an der University of Cambridge. Mit seinem zweiten Buch "Mitternachtskinder" gelang ihm der Durchbruch und seitdem ist er als Autor weltbekannt und berühmt. Sein Roman "Die Satanischen Verse" führte dazu, dass er in der islamischen Welt angefeindet wird. Im Iran wurde eine Fatwa auf ihn ausgestellt, was zu einem Anschlag auf sein Leben führte. Aktuell lebt der Autor in New York am Times Square.
Vor viele, vielen Jahrhunderten nahm sich der in Ungnade gefallene arabische Philosoph Ibn Ruschd eine Geliebte. Ihr Name war Dunia, und sie war insgeheim eine Prinzessin der Dschinn. Ihre Liebesbeziehung führte dazu, dass sie viele Kinder gebar, deren Hauptmerkmal eingewachsene Ohrläppchen waren. Irgendwann wurde der Philosoph wieder in Ehre aufgenommen und er verließ seine Geliebte. Doch ihre Kinder lebten weiter und gebaren ihrerseits Kinder.
In der Jetztzeit sucht ein riesiger Sturm die Welt heim. Und der sorgt dafür, dass auf einmal bestimmte Menschen besondere Fähigkeiten erhalten. Der eine schwebt über dem Boden, während ein Baby dafür sorgt, dass jede korrupte Person in seiner Umgebung als solche enttarnt wird. Was allen gemeinsam ist, ist, dass sie eingewachsene Ohrläppchen haben. Denn sie sind Nachfahren von Dunia. Und werden unweigerlich in einen Konflikt zwischen den Dschinn hineingezogen.
Es wird nicht einfach sein, "Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte" zu lesen. Denn der Autor fordert seinen Leser heraus, seinem Werk die volle Aufmerksamkeit zu schenken. Tut man das nicht, verpasst man die eine oder andere interessante Wendung im Plot und steht auf einmal verwirrt da.
Doch in diesem Fall ist man selber schuld. Denn man verpasst sonst eines der besten Bücher dieses Jahres! Was Salman Rushdie hier zu Papier bringt, ist einfach nur unglaublich gut. Es ist phantastisch, phänomenal.
Der Autor spielt dabei mit vielen Ebenen und Anspielungen. Er verschränkt Biografisches mit Fiktivem und lässt Reales auf Irreales stoßen. Und all das beschreibt er mit einer Wonne, die dem Roman anzumerken ist. Wiederholt spürt man das Augenzwinkern zwischen den Zeilen. Und man teilt das Vergnügen des Schriftstellers, in dem man seine Arbeit genießt.
So ist der Erzähler alles andere als allwissend. Wiederholt schmuggeln sich Ungewissheiten ein. Da liest man von "vermutlich" und ähnlichen Begriffen. Und man hat dabei das Gefühl, dass es dem Erzähler gleichgültig ist, weil er sich lieber auf etwas anderes konzentrieren möchte. Und man ist ihm noch nicht einmal sauer.
Ständig lässt der Autor die Zahl 1001 in der einen oder anderen Art auftauchen. Denn schließlich ist eine Inspiration für den Roman die mythische Erzählung aus "Eintausend und einer Nacht". Nur, dass Salman Rushdie hier die Verhältnisse auf den Kopf stellt. Anstatt zu erzählen, um das eigene Leben zu retten, bis ein Kind gezeugt wird, geschieht hier das Gegenteil. Und man könnte sich darüber amüsieren, einfach weil das auf eine herrlich trockene Art beschrieben wird!
Vergangenheit und Gegenwart verlieren im Laufe des Buches an Bedeutung. Mal befindet man sich damals, mal heute. Es geschieht einfach und man genießt es!
Was aber auch daran liegt, dass der Autor all dies in eine Story verpackt, die einen von der ersten Seite an fasziniert. Man liest von den Dschinnkindern und ihrer Rolle im Krieg zwischen diesen Geistern. Man spürt die Verwunderung von dem Gärtner Mr. Geronimo, als er feststellt, dass er schwebt. Aber auch die Faszination des Künstlers, als seine geheimen Träume wahr werden. Es handelt sich hier nicht um leblose Charaktere, sondern um Personen, die realistisch wirken. Und deren Mühen und Sorgen nachvollziehbar wirken, trotz der übernatürlichen Umstände.
Es ist ein unglaublich gelungenes Buch, bei dem man immer wieder etwas Neues beim Durchlesen entdeckt. Es ist ein "Klassiker" und ein "Splashhit".
Fazit:
Mit "Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte" ist Salman Rushdie ein äußerst vielfältiges und faszinierendes Werk gelungen. Er verschränkt dabei verschiedene Ebenen und Narrativen miteinander und beschreibt alles mit einem gewissen Augenzwinkern. Ein nicht allwissender Erzähler lässt einen ebenso schmunzeln wie die Art und Weise, mit der der Autor mit der Zahl 1001 spielt. Die Figuren, mit denen er seine Story bevölkert wirken alle lebendig und realistisch und die Handlung ist spannend.
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