Wörter auf Papier
Story:
Victor hat ein großes Problem. Er ist ein starker Stotterer und zwar so sehr, dass er kaum zwei Wörter hintereinander herausbringen kann. Und jetzt soll er für einen Freund Urlaubsvertretung beim Zeitungsausbringen machen? Ob das gut geht.
Meinung:
Stottern gehört mit zu den schlimmsten Sachen, die einem Menschen widerfahren können. Nicht in der Lage sein, Worte einanderzureihen, ohne darüber zu stolpern, muss schrecklich sein. Vince Vawters Protagonist in "Wörter auf Papier" hat dieses Problem. Und wie er damit umgeht, ist beeindruckend.
Der Autor wurde in Memphis, Tenessee geboren. Über vierzig Jahre lang arbeitete er als Redakteur und Herausgeber für diverse Zeitungen, ehe er sich zur Ruhe setzte. "Wörter auf Papier" ist sein erster Roman und er selbst bezeichnet sich als Stotterexperten. Angeblich hat die Geschichte viel von seinem eigenen Leben.
Memphis im Juli 1970: Auf dem Baseballplatz ist der Elfjährige Victor ein Ass. Er ist der beste Werfer seiner Altersgruppe. Niemand kann ihm was vormachen. Allerdings hat er ein Problem außerhalb des Platzes: Er ist ein starker Stotterer, der kaum in der Lage ist, zwei Wörter hintereinander herauszubringen, ohne über sie zu stolpern.
Eines Tages bittet ihn ein Freund für einen Monat Urlaubsvertretung für ihn zu machen. Er soll Zeitungen austragen und am Freitag jeder Woche abkassieren. Für Victor ist das ein großes Problem. Doch dann lernt er während seiner Tour viele verschiedene Leute kennen, die sein Leben beeinflussen. Und am Ende des Sommers ist aus ihm ein anderer Junge geworden.
"Wörter auf Papier" ist eine typische Geschichte des Älterwerdens. Vince Vawters Protagonist wird vor einer Art Prüfung gestellt, die ihn dazu bringt, reifer zu werden. Doch das soll kein Vorwurf sein.
Es ist einfach faszinierend, wie sehr Victor seine Behinderung soweit unter Kontrolle hat, dass sie sein Leben nicht allzu sehr beeinträchtigt. Er hat sich bestimmte Sprechgewohnheiten angewöhnt, in dem er beispielsweise versucht, Wörter, die mit gewissen Buchstaben anfangen, zu umgehen. Das betrifft auch die Spitznamen für die Leute, die er kennt. Sein bester Freund Art wird von ihm zum Beispiel Rat genannt, weil das für ihn leichter auszusprechen ist.
Und jetzt erhält er von seinem Kumpel die Aufgabe, im Juli Zeitungen auszutragen. Es spricht für Victor, dass er sich diesem Job stellt, auch wenn er weiß, dass er spätestens beim Geldeintreiben Probleme kriegen wird. Doch dann lernt er einige Menschen kennen, die sein Leben verändern.
Allen voran der intellektuelle Mr. Spiro hilft ihm dabei, mit seinem Stottern besser umzugehen. Er behandelt ihn nicht wie ein Kind, sondern wie einen Gleichaltrigen. Man spürt wirklich, wie die Freundschaft zwischen den beiden im Laufe des Julis wächst, so hervorragend wurde sie geschrieben. Und das trifft auch auf die anderen Figurenkonstellationen zu. Jede trägt mit dazu bei, dass sich der Junge langsam aber sich verändert.
Doch es sind nicht nur freundliche Dinge, mit denen er beschäftigt ist. Der Müllsammler Ara T stiehlt sein Taschenmesser und er findet Dinge über seine Familie heraus, mit denen er nichts anzufangen weiß. Sein Rückhalt bei diesen Dingen ist seine Nanny Mam. Sie ist irgendwie mit dem Müllsammler verbunden und bittet ihn, sich von ihm fernzuhalten. Eine mysteriöse Angelegenheit, die vor allem das letzte Drittel der Geschichte dominiert.
Es macht Spaß, über all diese interessanten und abwechslungsreichen Figuren zu lesen. Jede beeinflusst Victor auf ihre eigene, spezielle Weise. Das Zwischenmenschliche wird dementsprechend von Vince Vawter sehr gut dargestellt.
Allerdings gibt es auch ein Manko: Im letzten Drittel des Romans versucht der Autor die Handlung politischer und dramatischer zu machen. Auf einmal entdeckt sein Victor die Ungerechtigkeit der Welt, auch wenn er sie nicht nachvollziehen kann. Doch das passt einfach nicht. Die Kapitel zuvor waren ruhig und beschaulich, wodurch die Veränderungen, die der Protagonist durchmachte, deutlicher hervortraten. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Auf einmal wirkt alles wie mit dem Holzhammer gemacht.
Und das ist wirklich schade. Denn so ist der Roman zum "Reinschauen" zu empfehlen, obwohl er das Potential zu mehr hatte.
Fazit:
"Wörter auf Papier" ist ein guter Kinder- und Jugendroman. Victor, der Protagonist, ist eine faszinierende Figur. Vor allem sein Umgang mit seinem Stottern liest sich interessant. Außerdem gefällt, wie die Charaktere miteinander umgehen. Vor allem die Szenen, in denen der Junge mit dem intellektuellen Mr. Spiro zusammen ist, gefallen. Aber auch das Mysterium um Victors gestohlenes Messer und das Mysterium um den Zusammenhang zwischen Ara T und Mam wird gut dargestellt. Schade nur, dass dann im letzten Drittel des Buches der Holzhammer regiert und der Autor Vince Vawter die Handlung politischer und dramatischer werden lässt. Das passt nicht zu den vorherigen Handlungsabschnitten.
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