Die Wende - Wie die Renaissance begann
Story:
Unter dem Namen Renaissance wird allgemein die nach dem "dunklen" Mittelalter wiederentdeckten griechischen und römischen Denker in Europa verstanden. Doch wie kam es dazu? Und was für eine Rolle spielt dabei ein bestimmtes Werk der Antike?
Meinung:
Es war die Wiederentdeckung eines antiken Textes, die einst im Mittelalter langsam die Wende zu Renaissance auslöste. Lukrez "De rerum natura" wurde von dem Humanisten Poggio Bracciolini entdeckt, einem apostolischen Sekretär. Der Autor Stephen Greenblatt berichtet in "Die Wende - Wie die Renaissance begann" über die Umstände jenes Fundes.
Greenblatt wurde 1943 geboren. Er ist amerikanischer Literaturwissenschaftler und Professor für Englische und amerikanische Literatur und Sprache an der Harvard Universität. Er ist Herausgeber der Zeitschriften "Norton Anthology of English Literature" und "Representations". Des Weiteren hat er viele Bücher geschrieben, darunter auch die Shakespeare-Biographie "Will in der Welt", welche 2004 im Berlin-Verlag herauskam. Für "Die Wende" wurde er 2012 mit dem renommierten Pulitzer-Preis ausgezeichnet.
Das Mittelalter ruft bei einem Menschen eine zwiespältige Reaktion hervor. Entweder er findet die damalige Zeit der Ritter und Mönche romantisch, oder aber er empfindet es als "Dunkel", als eine Epoche in der viele Errungenschaften der Vergangenheit in Vergessenheit gerieten. Tatsächlich verschwanden damals viele antike Überreste, entweder weil sie den Lauf der Zeit nicht überstanden, oder aber sie bewusst ausgelöscht wurden.
Umso erstaunlicher ist die Entdeckung, die Poggio Bracciolini in einem Kloster machte. Ihm fiel eine Abschrift von Lukrezs "De rerum natura" in die Hände. Ein Gedicht, das eine Hommage an den Philosophen Epikur darstellt, und sich mit der Lage des Menschen im Universum beschäftigt. Seine Aussagen und Gedanken galten zu jener Zeit als sensationell und gotteslästerlich. Und doch trug es dazu bei, dass in den Jahren nach seiner Entdeckung eine Wende hin zur Renaissance stattfand.
Der Autor Stephen Greenblatt beschäftigt sich ausführlich mit dieser Entdeckung und allem was dazu gehört. Das ist wortwörtlich zu nehmen, denn neben einer Biographie des Entdeckers und einer ausführlichen Vorstellung des Gedichts und seiner Aussage, finden sich in seinem Werk auch detaillierte Informationen unter anderem über den Philosophen Epikur und seiner Lehre wieder.
Nun könnte man meinen, dass für jemanden, der sich mit Philosophie nicht auskennt, das Buch schwer zu lesen ist. Doch das Gegenteil ist der Fall. Greenblatt bemüht sich, die Bedeutung der Entdeckung von Poggio auch für einen Durchschnittsbürger nachvollziehbar zu machen, was ihm problemlos gelingt.
Und so erzählt er ausschweifend über all die Dinge, die prinzipiell nur am Rande mit dem Text an sich zu tun haben. Man erfährt viel über die damalige Zeit, in der in der katholischen Kirche Chaos herrschte. Mit Johannes dem XXIII. saß ein Gegenpapst auf dem heiligen Stuhl, der schon bald beim Konzil von Konstanz abgesetzt wurde. Es gelingt dem Autoren gut, beim Leser einen lebendigen Eindruck der damaligen Epoche zu erwecken.
Doch häufig schießt er in seiner Schreibweise förmlich über das Ziel hinaus. Dann holt er sehr weit aus, und liefert Informationen, wie beispielsweise dem Aufbau der mittelalterlichen Gesellschaft. Das liest sich zwar interessant, doch hat es mit dem ursprünglichen Thema nichts zu tun. Dadurch wirkt der Text wie aufgebläht, und das bei einer im Grunde genommen normalen Länge von 352 Seiten.
Positiv sind die umfangreichen Anhänge. Anmerkungen, Literaturverzeichnis und Register lassen keine Wünsche aufkommen. Und nur das eben genannte Manko trägt dazu bei, dass es ein "Reinschauen" erhält.
Fazit:
Stephen Greenblatts "Die Wende - Wie die Renaissance begann" ist ein Pullitzer-preis gekröntes Sachbuch. In ihm erzählt der Autor, wie die Entdeckung des Humanisten Poggio Bracciolini, nämlich Lukrez "De rerum natura" am Ende dazu führte, dass die Renaissance anbrechen konnte. Der Autor schafft es problemlos, dem Leser die philosophische Thematik so näher zu bringen, dass er sie verstehen kann. Ebenso liefert er jede Menge Informationen zu dem Thema seines Buches. Wobei er manchmal über das Ziel hinaus schießt, und zu weitläufig schreibt, und dabei Daten und Fakten präsentiert, die mit dem eigentlichen Gegenstand des Bandes nichts zu tun haben.
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