Perry Rhodan Neo 01: Sternenstaub
Story:
Im Jahr 2036 steht die Menschheit kurz vor dem Abgrund. Überbevölkerung und der Klimawandel fordern immer mehr Opfer, die atomar bewaffneten Machtblöcke belauern sich gegenseitig. Dann reißt der Kontakt zur Armstrong Base, der amerikanischen Forschungsstation auf dem Mond, ab. In einem schnell zusammengeschusterten Raumschiff sollen Major Perry Rhodan und seine Mannschaft zum Erdtrabanten fliegen und nachsehen, was mit der Basis passiert ist. Aber die Machthaber hinter der NASA haben ihre eigenen Pläne, ebenso wie die anderen Großmächte. Und es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass es auf dem Mond nicht zu einem Unfall oder einer Naturkatastrophe gekommen ist, sondern etwas – oder jemand – die Armstrong Base ebenso wie die Stationen und Satelliten der anderen Staaten lahmgelegt hat. Aber was hat ein ehemaliger Börsenmakler, der in den Überresten von Texas Straßenkinder vor dem Schlimmsten zu bewahren versucht, mit all dem zu tun?
Meinung:
Manchmal kann eine lange Tradition auch zum Ballast werden. Dann ist es Zeit für einen Neustart. Diesen Weg sind in letzter Zeit einige große Namen gegangen: James Bond begann wieder (fast) bei Null, ebenso wie Star Trek. DC Comics rebootete mal eben ein komplettes Universum. Und im Prinzip tut auch Perry Rhodan etwas ähnliches. Das Ergebnis trägt den Namen "Perry Rhodan Neo".
Perry Rhodan Neo ist ein Neustart des Perryversums, oder besser gesagt eine Alternative dazu. Die neue Serie will an die Anfänge zurückgehen und die Geschichten von damals aus heutiger Sicht neu interpretieren. So landet Perry Rhodan nicht aus der geopolitischen Situation Mitte des 20. Jahrhunderts heraus im Jahr 1971 auf dem Mond, sondern aus der Situation Anfang dieses Jahrhunderts im Jahr 2036. Das "klassische" Universum und Neo sollen sich ausdrücklich nicht überschneiden und bilden jeweils einen eigenen Kosmos.
Perry Rhodan Neo ist also der ideale Einstiegspunkt für alle, die bisher von fünfzig Jahren Geschichte, Heftnummern mit vier Stellen, diversen Nebenserien und Ablegerprodukten abgeschreckt wurden. Kann man Perry Rhodan lesen, ohne all das zu kennen, ohne umfangreiches Hintergrundwissen? Für den "Neuen" braucht man kein Hintergrundwissen, denn die Serie beginnt eben ganz am Anfang.
Für den Autor Frank Borsch ist die neue Serie alles andere als die erste Begegnung mit dem Raumfahrer. Seit 1998 schreibt er Geschichten im (klassischen) Perryversum, zwischen 2001 und 2007 war er zusätzlich als Redakteur tätig. Unter anderem verfasste er Beiträge für die Perry-Ablegerserien Atlan und Centauri oder zu den Taschenbuchserien Andromeda und Odysee. 2003 stieg er als Autor in die "Mutterserie" ein.
Auf den 161 Seiten wechseln sich zwei Handlungsstränge ab. In einem verfolgt der Leser Perry Rhodan und seine Mannschaft bei ihren Erlebnissen auf dem Mond, der andere schildert einige Ereignisse, die gleichzeitig auf der Erde passieren. Interessanterweise lesen sich diese Teile merklich unterschiedlich. Perrys Erlebnisse lassen trotz des Reboots das Alter der Geschichte spüren. Es ist schwer, den Finger genau auf die Ursache zu legen, aber die Geschichte wirkt als wäre sie zur selben Zeit wie das "Original" entstanden. Die Helden sind übermächtig, Perrys Pilotenkünste kompensieren ohne nennenswerte Schwierigkeiten den Ausfall sämtlicher Bordcomputer, Reginald Bull berechnet mal eben die komplexen Flugparameter für die Notlandung im Kopf, und der Nutzlastspezialist Flipper meistert kitzlige Entlademanöver selbstverständlich ohne den kleinsten Fehl. Auch das Verhalten seiner Mitmenschen (und anderer Wesen) bietet für den Titelhelden keine nennenswerten Geheimnisse. Eine derartige Perfektion beginnt den Leser schnell zu nerven.
Ganz anders die Geschichten, die derweil auf dem guten alten blauen Planeten ablaufen. John Marshalls Erlebnisse in seinem verzweifelten Kampf, sein Haus für Straßenkinder am Laufen zu halten, könnten ohne weiteres einen eigenen Roman tragen. Es ist eine ungewöhnliche Feststellung, aber sie trifft zu: Dieser Perry Rhodan-Roman ist im Wesentlichen dort fesselnd, wo Perry gerade nicht auftaucht.
Spannung kommt in beiden Teilen kaum auf, gerade der erfahrene Science Fiction-Leser ahnt schnell, worauf die Geschichte hinausläuft. Das ist übrigens ganz unabhängig davon, ob man vorher bereits in das Perryversum eingetaucht war oder nicht. Diesen Mangel kann man dem Roman auch nur begrenzt vorwerfen. Schließlich ist der erste Band der neuen Serie zumindest auch dafür gedacht, die Charaktere für eine potentiell lange Reise in Position zu bringen.
In jedem Fall macht "Sternenstaub" jedoch Lust auf mehr. Perry Rhodan Neo wird, nach diesem ersten Roman zu urteilen, keine Serie werden, bei der man nägelkauend auf den nächsten Band wartet. Aber die Geschichte bietet etwas, an der so mancher Roman scheitert: Solide Unterhaltung.
Fazit:
Perry Rhodan kehrt zurück an seine Anfänge und beginnt seine Reise, mit Augen von heute betrachtet, von neuem. Interessanterweise ist derjenige der zwei großen Handlungsstränge, die den Leser berühren und fesseln, gerade der, in dem der Held nicht mitspielt. Die Abenteuer des Raumfahrers selbst haben ein merkliches Nervpotential, weil die Figuren in allem was sie tun geradezu übermenschlich perfekt sind. Wer aber nicht mehr und auch nicht weniger als gute, solide Unterhaltung erwartet, kann bei der Neuinterpretation von Perry Rhodan ohne Probleme zugreifen.
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Frank Borsch
Perry Rhodan Neo 01: Sternenstaub
Erscheinungsjahr: 2011
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Pabel Moewig Verlag
Preis: € 3,90
161 Seiten
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