Die Alchemie der Unsterblichkeit
Story:
Schwarzwald, 1771. Im Auftrag der
Kanzelley zur Inspektion unnatürlicher Begebenheiten reist
der junge Gelehrte und Assistent der Stadtwache von Karlsruhe,
Icherios Ceihn, durch das von Hunger und Nahrungsmittelknappheit
gezeichnete Land in das Dorf Dornfelde. Auf all seinen Streifzügen
begleitet ihn seine zahme Ratte Maleficium. Mitten im sogenannten
„Dunklen Territorium“ soll er eine grausame Mordserie aufklären.
Zu seiner Überraschung sind die Bewohner dieses Ortes nicht nur
Menschen, sondern auch Vampire und Werwölfe, die eigentlich ein
friedliches Miteinander pflegen. Da die Morde nicht aufhören, macht
sich Angst und Unruhe im Dorf breit. Icherios bleibt nur wenig Zeit,
um ein Geflecht aus Lügen, Intrigen und Geheimnissen zu entwirren,
den Mörder zu entlarven und die aufgeheizte Stimmung im Dorf zu
besänftigen – sonst wäre in Dornfelde nichts mehr so wie es einst
war.
Meinung:
Wer bei der Inhaltsangabe ein Déjà-vu
bekommen hat, liegt goldrichtig. Autorin Kerstin Pflieger hat sich
bei ihrem Romandebüt durch den 1999 erschienenen Film „Sleepy
Hollow“ und die dortige Atmosphäre inspirieren lassen. Die
Namensähnlichkeit zwischen ihrem Helden Icherios Ceihn und dem durch
Johnny Depp verkörperten Ichabod Crane ist also kein reiner Zufall,
sondern pure Absicht. Einen Abklatsch müssen Fans von Tim Burton
oder Washington Irving dennoch nicht befürchten. Ihr junger
Gelehrter und Ermittler setzt sich von seinem Hollywood-Vorbild
gekonnt ab und bringt dazu noch frischen Wind in das verweichlichte
Blutsauger-Genre.
Bereits auf den
ersten sechzig Seiten gelingt es Pflieger, eine Atmosphäre
aufzubauen, die einen schonungslosen Einblick auf die realen
Zustände von 1771 ermöglicht. Es ist kein romantischer Rückblick
auf die „gute alte Zeit“. Die Straßen sind von Morast und Unrat
durchweicht, Erwachsene und Kinder betteln um jedes noch so kleine
Stück Brot, das viel zu oft mit Sägemehl gestreckt wird. Ihr
gelingt es ein lebendiges Bild der damaligen Lage darzustellen.
Dornfelde erscheint im Kontrast dazu schon fast wie ein Paradies,
gibt es hier doch genügend Lebensmittel für alle, dafür aber auch
allerhand Gefahren für Leib und Leben.
Im gefürchteten
„Dunklen Territorium“ leben Werwölfe und Vampire, Irrlichter
durchstreifen die Wälder auf der Suche nach frischem Fleisch und ein
blutrünstiger Dämon soll unter der Feste des Fürsten von Sohon,
einem adligen Vampir, lauern. Dann gibt es da noch die Menschen, die
sich mit dem harten Leben abgefunden haben und zusammen mit Vampiren
und Werwölfen ein friedliches Miteinander pflegen. So gruselig und
unbehaglich die Nachbarn auch sein mögen, sie bieten einen gern
gesehenen Schutz vor dem, was sich außerhalb des schützenden
Dorfwalls befindet. Allerdings gibt es da noch die Jahrhunderte alten
Ängste und Vorurteile auf allen Seiten, die durch die anhaltende
Mordserie weiter Nahrung erhalten.
Auf den ersten
Blick scheint sich Pflieger bekannten Klischees des Genres zu
bedienen. Hier gibt es Werwölfe mit tierischem Temperament, die
schwere körperliche Arbeit verrichten und Vampire, die sich schon
mal hochnäsig und lasziv geben. Die Menschen hingegen, besonders der
Klerus, beäugen argwöhnisch ihre übernatürlichen Nachbarn. So
verwundert es nicht, dass die Kirche beide Arten als unrein empfindet
und sich schnellstmöglich dieser mächtigen Clans entledigen möchte.
Doch die studierte
Biologin räumt schnell mit dem auf, was zur Zeit in vielen
Fantasy-Büchern in Mode gekommen ist. Ihre Vampire, Werwölfe und
Dämonen dürfen richtig böse sein. Es sind keine Wesen, die in der
Sonne glitzern, auf Tierblut als Blutquelle ausweichen, zu
Kuscheleinheiten am Kaminfeuer neigen oder sich gänzlich einem
menschlichen Lebensstil anpassen. In ihrer Geschichte beißen Vampire
schon mal zu, töten aber nicht immer. Auch sind ihre Werwölfe
stark, können sich aber beherrschen. Es ist erfrischend zu lesen,
dass trotz aktueller Trends Vorbilder wie Bram Stoker immer noch als
Inspiration dienen.
Weiterhin positiv
fällt Icherios Ceihn auf, der als sympathischer, unperfekter Held
im Laufe des Abenteuers nicht nur an den Rand des wissenschaftlich
Erklärbaren stößt, sondern auch seine eigenen Schwächen deutlich
aufgezeigt bekommt. Genügend Entwicklungspotential bieten nicht nur
seine Fehler am Ende dieses spannenden Trips durch den Schwarzwald,
sondern auch seine Vergangenheit, die genügend Stoff für weitere
Romane bereit hält. Spannung ist garantiert und „Die Alchemie der
Unsterblichkeit“ kann getrost allen ans Herz gelegt werden, die
sich im Mystery- und Fantasy-Genre zuhause fühlen.
Fazit:
Das Romandebüt von Kerstin Pflieger
punktet durch eine lebhafte Darstellung der Szenerie. Icherios Ceihn
Abenteuer macht Lust auf mehr Geschichten um den sympathischen jungen
Mann und seine pfiffige Ratte im Deutschland des 18. Jahrhunderts.
Genügend interessante Fragen für weitere Fortsetzungen sind in „Die
Alchemie der Unsterblichkeit“ bereits aufgeworfen worden.
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