Roter Donner
Story:
Die Chinesen stehen kurz davor, als erste Nation überhaupt ihren Fuß auf den Mars zu setzen. Und von offizieller amerikanischer Seite aus kann man nichts dagegen machen. Wie gut, dass mit dem Roten Donner ein privates Schiff sich aufmacht, um dieses Fiasko zu verhindern.
Meinung:
Der Autor John Varley ist hierzulande relativ unbekannt. Dabei schreibt der gebürtige Amerikaner seit den 70er Jahren schon Science Fiction-Romane. Einige seiner Bücher sind Teil einer Future-History, also Erzählungen, die die mögliche Entwicklung der Menschheit in der Zukunft erzählen. Sein Deutschland-Debüt "Roter Donner" ist Teil einer Trilogie, bei der der Mittelteil "Roter Blitz" ebenfalls hierzulande erschienen ist. Ob der Abschlussteil "Rolling Thunder" auch in einer hiesigen Übersetzung erscheinen wird, ist noch unklar.
Die USA in einer nahen Zukunft. Die vier Freunde Manny, Kelly, Dak und Alicia feiern eines Abends eine ausschweifende Party, als sie mit ihrem Fahrzeug beinahe einen Mann überfahren. Dieser, Travis Broussard, ist ein ehemaliger Astronaut, der in Unehren aus der NASA ausgeschieden ist. Gleichzeitig hat er aber auch ein ziemliches Alkohol-Problem.
Zwischen den fünf entwickelt sich eine Freundschaft, in die auch der Cousin von Travis, Jubal, mit einbezogen wird. Bei diesem handelt es sich um einen geistig teilweise zurückgebliebenen, doch gleichzeitig auch hochintelligentes Genie. Eine seiner vielen Erfindungen, der sogenannte Drücker, ermöglicht es ein Kraftfeld zu erschaffen, ohne irgendeine Art von Energieaufwand. Gleichzeitig erzeugt diese Erfindung auch bei langsamer Auflösung des Feldes jede Menge Energie. Genügend, um ein Raumschiff zu betreiben. Was auch dringend notwendig ist. Denn aktuell befinden sich die USA und China in einem Wettlauf zum Mars, den letzteres Land eindeutig zu gewinnen scheint. Und dagegen muss etwas getan werden.
Was John Varley mit seinem "Roten Donner" schreibt erinnert ein wenig an die Jugend-Romane eines Robert A. Heinleins. Der Ton ist locker und die Geschichte nimmt sich selbst nicht so ganz ernst, was man beispielsweise an solchen Momenten merkt, in denen Mannys Mutter einem Drogendealer ihre Treffsicherheit unter Beweis stellt. Doch gleichzeitig gibt es auch Momente in der Erzählung, die etwas düster sind. So hat jeder der Protagonisten sein eigenes Päckchen an bitteren Vergangenheitserfahrungen zu tragen, lässt sich jedoch davon nicht beeinflussen.
Und auch, wenn die Ausgangssituation der Geschichte gefährlich nach dumpfem Patriotismus klingt, vermeidet der Autor geschickt eine allzu plumpe Schwarz/Weiß-Zeichnung. Als man nämlich den Chinesen begegnet, werden sie als durchaus vernünftige und real wirkende Personen beschrieben. Sehr gute Leistung des Autoren.
Man sollte diesen Roman nicht auf seine Glaubwürdigkeit abklopfen, weil sonst so einiges an Lese-Spass verloren geht. Dinge, wie die Tatsache, dass es einer Gruppe aus Teenagern und einem Astronauten möglich ist, ein Raumschiff zu bauen, mit dem sie zum Mars kommen und außerdem nebenbei auch noch eine Art Astronauten-Training durchlaufen, wirken vielleicht nicht real. Doch sie erzeugen einen gewissen Charme, der dem Roman doch sehr gut steht.
Doch auch die Protagonisten können überzeugen. Jeder von ihnen ist auf seine Art und Weise unverwechselbar und wird dem Leser auf Anhieb sympathisch.
Besonders bei Jubal, dem Genie, dessen Erfindung des "Drückers" überhaupt erst der Auslöser des Ganzen ist, macht sich dies bemerkbar. Er, der von seinem Vater brutal misshandelt wurde, hat so seine diversen Macken, wie beispielsweise das Rudern gehen, wenn ihn etwas beschäftigt. Doch erstaunlicherweise schafft es John Varley bei ihm nicht auf die Mitleidsdrüse zu drücken, sondern ihn wie eine gewöhnliche Figur, wenn auch mit einigen merkwürdigen Angewohnheiten zu präsentieren.
Ebenso ist auch Travis Broussard eine sympathischer Figur. Der Alkoholiker blüht auf, als es daran geht, ein Vehikel zu bauen, mit dem man zum Mars kommt, und seine unerfahrene Crew zu trainieren. Es tut ihm gut, endlich wieder Verantwortung zu übernehmen, da er sich so den Sünden seiner Vergangenheit stellen kann und daraus die entsprechenden Konsequenzen zieht.
Und natürlich sind auch die anderen Figuren sehr gelungen geschrieben. Sei es die Liebe zwischen Manny und Kelly, sie die Tochter eines reichen Automobilhändlers, er der Sohn eines toten Vaters und einer Mutter, die gerade so ihr Hotel am Laufen halten kann, oder Alicia, eine strikte Vegetarierin und Anti-Alkoholikerin, die die gute Seele des Teams ist. All dies trägt dazu bei, dass der Roman einen rundum gelungenen Eindruck macht.
Fazit:
John Varleys "Roter Donner" ist ein Roman im Geiste von Robert A. Heinlein. Das Buch beeindruckt durch einen sehr lockeren Ton, vermischt mit einigen wenigen ersten Momenten. Auch gefällt es, dass der Autor auf eine allzu plumpe patriotische Darstellung verzichtet. Ebenso wirken auch die diversen Figuren sehr realistisch und nachvollziehbar. Alles in Allem ist der Roman ein absolutes Must-Have mindestens für jeden Science-Fiction-Fan!
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