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Deus X

Story:
In einer nicht weit entfernten Zukunft hat der Mensch die Biosphäre seines Planeten fast völlig zerstört. Gleichzeit haben sich Wissenschaft und Technologie enorm weiterentwickelt. Wer es sich leisten kann, hat die Möglichkeit, das eigene Bewusstsein auf eine neue Matrix, nämlich auf ein weltumspannendes Computernetzwerk, kopieren zu lassen. De facto ewiges Leben, solange niemand den Stecker zieht, mit Zugang zu so viel Unterhaltungsangeboten, wie es der Geldbeutel hergibt.

Die katholische Kirche gerät durch die Entwicklungen in große Probleme. Wie kann ein liebender Gott zulassen, dass die Menschheit quasi globalen Selbstmord begeht? Und wie passen die "Nachfolger" auf Silizium und Galliumarsenid in die Lehre? Wenn jemand eine Kopie seines Bewusstseins erzeugt, ist das dann diejenige Person, inklusive dessen unsterblicher Seele? Oder handelt es sich um ein seelenloses Simulakrum, das mit determinierten Reaktionen nur Bewusstsein vortäuscht? Die Kirche kann keine Antworten auf diese Fragen liefern und verliert mehr und mehr an Bedeutung.

Der Klerus ist zwischen diesen beiden Positionen tief gespalten. Um von der offenen Frage abzulenken, hat die Kirche sogar erstmals in ihrer Geschichte einen weiblichen Papst gewählt. Maria I. plant jetzt ein wagemutiges Experiment. Sie überredet Pater Pierre De Leone, einen Nachfolger von sich anfertigen zu lassen. De Leone ist einer der führenden Konservativen und davon überzeugt, dass die digitalen Entitäten niemals eine Seele haben können. Die Pontifex will nach dem Tod der "Meatware" des Paters mit der Entität diskutieren. Wenn der Nachfolger überzeugt werden kann, dass er doch eine Seele hat, will die Päpstin es auch akzeptieren und als kirchliches Dogma verkünden.

Aber die digitale Kopie von Pater De Leone wird aus dem eigentlich hermetisch abgeschotteten Computersystem des Vatikans entwendet. Wer ist in der Lage, das zu tun, und welches Ziel verfolgt er damit? Der Ermittler Marley Philippe soll den Nachfolger zurückbringen.

Meinung:
Er ist in der breiten Öffentlichkeit relativ unbekannt, spielte aber in der Entwicklung der Science Fiction und auch in der Gemeinschaft der Autoren eine wichtige Rolle. Der Amerikaner Norman Spinrad gilt als einer der Mitbegründer der New Wave SF in den USA. Dieses Subgenre sagte sich ab etwa den 1960er Jahren bewusst von den Konvention der Science Fiction im Stile von Hugo Gernsback oder John Campbell los, ähnlich wie beispielsweise der Punk in der Musik. Die herkömmliche SF sei im Stillstand erstarrt, während die New Wave-Autoren stark in Form und Inhalt experimentierten. Wichtige Vertreter in England, dem Ursprungsland der Bewegung, waren etwa Michael Moorcock oder J. G. Ballard, in den USA spielten neben anderen Philip K. Dick, Philip José Farmer, Ursula K. Le Guin, Samuel R. Delany, Harlan Elison und eben Norman Spinrad eine wichtige Rolle. Der Autor stand zwei Mal der Vereinigung SFWA (Science Fiction and Fantasy Writers of America) vor.

In "Deus X" befasst er sich vordergründig mit der katholischen Kirche und deren Schwierigkeiten, mit den sich ändernden Zeiten Schritt zu halten. Vordergründ deshalb, weil tatsächlich sind seine Themen Fragen wie, wer sind wir? Was ist notwendig, damit es so etwas wie ein "Ich" geben kann? Wie können wir sicher sein, dass das, was uns gegenüber steht, auch so etwas hat, und nicht nur ein geschickter Automat ist? Und wie sollten wir miteinander umgehen?

Spinrad erzählt seine Geschichte in zwei Handlungssträngen. In einem begibt sich Marley Philippe in den Tiefen des "Big Boards" auf die Suche nach der abhanden gekommenen Entität. Im anderen setzt sich eben diese Entität mit ihrer eigenen Existenz auseinander. Was ist sie? Verfügt sie über so etwas wie ein "Ich"? Und wenn ja, ist es das des inzwischen verstorbenen "echten" Pater De Leone? Kann es etwas wollen, und wenn ja, welche logischen Schlussfolgerungen ergeben sich daraus?

Philippes Teil der Handlung ist dabei erstaunlich grobschlächtig. Wie sehr die Menschen die Biosphäre zerstört haben, wird dem Leser geradezu mit dem Holzhammer eingeprügelt. Das gleiche gilt für die Unzulänglichkeit der virtuellen Umgebung im Computernetzwerk. Eine wirkliche Immersion aller Sinne hat die Technologie noch immer nicht erreicht, und nur mit Simulationen für Auge und Ohren ist man sich laut Philippe immer bewusst, dass man nicht wirklich "dort" ist. Teile dieses Handlungsfadens wirken regelrecht misantrophisch.

Davon weichen die Teile, die aus der Perspektive der Nachfolger-Entität geschrieben sind, deutlich ab. Hier befasst sich Pater De Leon, oder um wen oder was es sich auch immer handeln mag, mit durchaus knackigen philosphischen Fragen. Der Leser sollte ein gewisses Maß an intellektueller Gewandheit mitbringen, um dabei nicht auf der Strecke zu bleiben. Das trifft auch auf die Terminologie zu: Begriffe wie "Turing-Test", "gnostische Häresie", "Tropismus" oder "tautologisch" werden selbstverständlich vorausgesetzt und nicht näher erläutert.

Aus heutiger Sicht einerseits beinahe niedlich, andererseits fast erschreckend ist der Alterungsprozess der Geschichte. Im Original erschien "Deus X" erstmals 1993, also vor nahezu zwei Jahrzehnten. Damals waren Gigabytes an Daten noch wirklich viel, worüber man in Zeiten der Festplatten im Terabyte-Bereich lächeln mag. Auf der anderen Seite hat Spinrad bereits damals den Klimawandel und damit verbunden Kohlendioxid als essentielle Bedrohung erkannt.

Das Ende ist etwas enttäuschend. Zum einen, weil der Autor, wie es der Titel schon andeutet, einen "deus ex machina", den Gott aus der Maschine im Hintergrund der Theaterbühne, auspackt, der alles wieder in die richtigen Bahnen lenkt. Zum anderen mag hier aber auch ein Stück weit das verletzte Ego des Lesers im Spiel sein. Braucht die Menschheit doch auch hier wieder einmal den Input von außen, um sich selbst vor der Zerstörung zu retten, wie ein kleines Kind, dem die Eltern das scharfe Messer wegnehmen. Ob eine Menschheit, die ihre Fehler selbst erkennt und vor dem Schritt in den Abgrund zurückschreckt, im Rahmen der Geschichte möglich gewesen wäre, sei dahingestellt, besser angefühlt hätte es sich vermutlich.

Fazit:
Norman Spinrad befasst sich mit Fragen wie "Was ist 'Ich'?" und hat schon vor fast zwanzig Jahren die möglichen Folgen des Klimawandels mehr als eindrücklich beschrieben. Für Teile des Buches sollte ein gewisses intellektuelles Grundgerüst vorhanden sein, sonst dürfte der Leser schnell den Überblick verlieren.

Deus X - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Norman Spinrad
Deus X
Deus X

Übersetzer: Peter Robert
Erscheinungsjahr: 1997



Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck

Verlag:
Heyne Verlag

ISBN:
978-3453133020

174 Seiten
Positiv aufgefallen
  • Der Handlungsstrang, in dem die Entität über sich selbst nachdenkt, wirft einige interessante philosophische Fragen auf
  • Der Autor scheut sich nicht, beim Leser eine gewisse intellektuelle Basis vorauszusetzen
Negativ aufgefallen
  • Der Handlungsfaden um den Ermittler Philippe hätte nicht ganz so holzschnittartig sein müssen
  • Das Ende bringt zu sehr den im Titel vorweggenommenen deus ex machina ins Spiel
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Rezension vom: 08.11.2010
Kategorie: Science Fiction
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