Glennkill
Story:
Schäfer George Glenn ist tot. Abgemurkst. Um die Ecke gebracht. Daran kann kein Zweifel bestehen - schon allein aufgrund der Tatsache, dass er in einer Blutlache auf seiner Weide liegt und ein ziemlich großer Spaten in seinem Körper steckt. Doch wer kann nur diese schändliche Tat begangen haben? Und was steckt dahinter? Keine Frage, dass Georges Schafe das herausfinden müssen. Das sind sie ihrem guten alten Freund ja wohl schuldig. So macht sich also Miss Maple, das schlaueste Schaf von ganz Glennkill, zusammen mit dem mysteriösen schwarzen Widder Othello, dem pummeligen "Gedächtnisschaf" Mopple the Whale und all den anderen Wollknäueln der Herde daran, dem fiesen Mörder auf die schliche zu kommen.
Meinung:
Eines muss man Leonie Swann lassen - sprechende Namen erfinden kann sie. Miss Ma(r)ple ist nicht umsonst das klügste Schaf von ganz Glennkill, Ham ("Schinken") der Metzger und Mopple the Whale ein ziemlich moppliger Widder. Auch der Name des Dörfchens selbst, der gleichzeitig auch der Titel des Romans ist, spricht für sich: Glennkill. So ein Zufall, dass es in dem Buch um den Mord am Schäfer George Glenn geht.
Das verspricht schon mal jede Menge Wortwitz und auch die situationskomischen Dialoge am Anfang des Buches lassen einiges erhoffen. Leider schafft es Leonie Swann jedoch nicht, die Erwartungen zu erfüllen. Sicherlich, die Idee eines "Schafskrimis" ist durchaus putzig und das Buch ist auch keinesfalls schlecht geschrieben. Doch mangelt es schon nach ein paar Seiten an der lockeren Spritzigkeit, die sich zu Beginn eigentlich anzudeuten scheint. Die anfangs noch lustige Naivität der Schafslogik wird spätestens dann furchtbar langweilig, wenn sie sich zum hundertsten Mal wiederholt und zum ebensovielten Mal die Kiste mit den Schaf-Klischees (guter Geruchssinn, ständig am Fressen etc) ausgepackt wird. Die Darstellung der Schafe scheint auf einer zentralen Grundidee zu basieren, die eben, je nach Bedarf, immer wieder aufs Neue ausgerollt wird. Leider wird die ohnehin schon nicht wirklich spannende Story dadurch unnötigerweise nur noch dröger. Klar, dass es in einem "Schafs-Krimi" in erster Linie um Schafe geht, aber die Hauptfiguren treten einfach zu wenig hervor. Sicher haben sie, jeder für sich, ein paar unverkennbare Eigenschaften. Doch diese gehen in dem großen ganzen Schaf-Schema-X zu sehr unter. Die Hauptschafe werden nicht ausreichend zu eigenständigen Charakteren, mit denen man mitfiebern kann. Nehmen wir mal Miss Maple als Beispiel. Sie ist zwar das "klügste Schaf von ganz Glennkill", doch so richtig zum Ausdruck kommt das nie. Sie stellt einige Ermittlungen an, das tun andere Schafe aber auch. Oder Mopple the Whale, der dick, gemütlich und verfressen ist. Eigentlich der Stoff, aus dem eine typische liebevoll-knuffige Nebenfigur gemacht ist. Doch da alle Schafe ständig fressen und gemütlich sind, gehen diese charakteristischen Merkmale im Endeffekt wieder unter. Doch das kann bei so einem Roman nicht gutgehen. Im Zuge dieser möglichst "realistischen" Schafs-Darstellung, wenn man es so nennen will, fehlen einfach die Schafe, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen, die Identifikations-Schafe sozusagen. Die, für die man sich interessiert; Die, bei denen man wissen will, was mit ihnen passiert. Das ist auch das zentrale Problem des Romans: Die Handlung fesselt einen nicht. Dass dem Leser irgendwann egal ist, was als nächstes geschieht, darf - gerade bei Krimis - einfach nicht vorkommen.
"Glennkill" bietet einige gute Ansätze, geht aber leider keinem davon konsequent nach. Der Roman hätte ein herrlich verschrobener Krimi und ein echter Geheimtipp werden können, wenn die Autorin zugunsten eindrucksvollerer Hauptfiguren auf etwas "Realismus" verzichtet hätte. Die Akteure sind einfach nicht interessant und eigenständig genug. Aus der im Roman letztlich ziemlich ersetzbaren "Miss Maple" hätte man beispielsweise ein schön kauziges Detektiv-Schaf machen können, wodurch man sich vielleicht ein bisschen weiter von "echten" Schafen entfernt, aber gleichzeitig einen hervorragenden Bezugs- und Spannungspunkt geschaffen hätte. Das wäre als Protagonist ein ganz anderes Kaliber als "das vielleicht schlaueste Schaf der Welt", das aber im Endeffekt auch nur das macht, was alle Schafe machen.
Fazit:
Nach einem wirklich einfallsreichen und pfiffigen Start geht "Glennkill" leider sehr schnell die Luft aus und das Buch langweilt irgendwann nur noch, weil sich alles ständig wiederholt und die Hauptfiguren zu blass bleiben. Bei der Konzentration auf möglichst "realistische" Schafe (soweit man davon bei einem "Schafskrimi" überhaupt sprechen kann) hat Leonie Swann das Wesentliche aus dem Auge verloren: die Entwicklung einer mitreißenden Handlung und überzeugender Charaktere. Schade, da hätte sich wirklich viel mehr herausholen lassen. So bleibt im Endeffekt ein gerade noch durchschnittlicher Roman, der ohne die Schafsthematik wohl niemanden hinter dem Ofen hervorlocken würde.
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Leonie Swann
Glennkill
Erscheinungsjahr: 2006
Autor der Besprechung:
Jano Rohleder
Verlag:
Goldmann Verlag
Preis: € 8,95
ISBN: 978-3-442-46415-9
384 Seiten
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