Krampus
Story:
In einem Versteck in den Bergen hat Sankt Nikolaus den Herrn des Julfest angekettet. Zum Sterben verdammt wartet Krampus auf den Tag, an dem er sich für seine 500-jährige Gefangenschaft rächen kann. Seine wenigen Untergebenen, die Belznickel, versuchen dem Weihnachtsmann den Schlüssel zu Krampus Freiheit abzujagen: den roten Weihnachtssack. Auf ihrer letzten Jagd fällt dieser Jesse Walker in die Hände. Er hofft mit Hilfe des Sacks die Liebe seiner Familie zurück zu gewinnen, doch die Belznickel sind hartnäckig und bringen ihn samt Sack schließlich zu ihrem Herrn. Die Fehde zwischen dem Heiligen und dem Winterdämon geht in eine neue Runde.
Meinung:
Mit der Geschichte um den Wintergeist Krampus hat der Amerikaner Gerald Brom 2012 seinen vierten Roman veröffentlicht. Nach einem Abstecher in den Wilden Westen der Hölle ("The Devil's Rose"), dem dunklen Niemandsland unter Kinderbetten ("The Plucker") und nach Nimmerland ("Der Kinderdieb"), führt der Autor und Illustrator seine Leser in Text und beeindruckenden Bildern dieses Mal nach West Virginia.
In der fiktiven Stadt Goodhope im ganz realen Boone County läutet Brom das Julfest ein und verändert das Leben seines Helden Jesse Walker nachhaltig. Der 28-jährige Jesse ist am Tiefpunkt seines Lebens angelangt. Seine Frau hat ihn verlassen und lebt nun mit der gemeinsamen Tochter beim zwielichtigen Polizeichef Dillard, der Gerüchten zufolge seine erste Ehefrau umgebracht hat und bei den kriminellen Machenschaften in Goodhope beide Augen gegen eine kleine Gewinnbeteiligung zudrückt.
Jesse ist jedoch ein Verlierer wie er im Buche steht. Er lebt in einer Wohnwagensiedlung und verdient seinen Lebensunterhalt damit, vor Betrunkenen auf seiner Gitarre zu spielen. Eine Karriere als Musiker wäre sein Traum, doch fehlt ihm der nötige Ehrgeiz, um mehr aus sich zu machen. Als er am Weihnachtsabend sieht, wie sich seltsame Gestalten mit dem Weihnachtsmann auf seinem Schlitten balgen, traut er zunächst seinen Augen nicht. Doch der Sack, der durch das Dach seines Wohnwagens bricht, ist real und versorgt ihn mit dem Spielzeug, das sich seine Tochter so sehr wünscht. Während der immer klamme Jesse davon träumt, seine Familie zurückerobern zu können, suchen Krampus Belznickel und der Weihnachtsmann fieberhaft nach dem Jutebeutel. Dabei verstrickt sich der Protagonist in ein Geflecht aus Fehden und Gewalt, das nicht nur ihn, sondern auch seine Frau und seine kleine Tochter in Lebensgefahr bringt. Gejagt vom Weihnachtsmann, Dillard und der lokalen Verbrecherszene muss sich Jesse schließlich Krampus anschließen, um seine Überlebenschancen zu wahren.
Mit "Der Kinderdieb" hatte Brom bereits bewiesen, dass er aus scheinbar altbekannten Märchen eine neue Geschichte schaffen kann. Damals nahm er sich James Matthew Barries "Peter Pan" an und ließ den niemals erwachsen werdenden Jungen scheinbar vernachlässigte Kinder aus den heutigen USA in das mit allerlei britischen Mythen angereicherte Nimmerland entführen und gegen die Piraten kämpfen.
Auch in "Krampus" wagt er sich abermals an einen mythologischen Stoff und führt dadurch den Ursprung von Sankt Nikolaus und Krampus auf die nordische Götterwelt zurück. Hinter dem Nikolaus verbirgt sich Balder, einer der Söhne des Göttervaters Odin, der durch eine List Lokis den Tod fand und eines Tages wiedergeboren wurde. Krampus ist in Broms Interpretation ein Sohn von Hel, der Tochter Lokis, und kennt Balder noch aus dessen Zeit im Totenreich. Nach der Vertreibung alter heidnischer Bräuche und Religionen durch das Christentum nahm sich der gehörnte Waldgeist des wiedergeborenen Göttersohns an. Doch dieser wendete sich lieber der neuen Weltreligion zu als an den alten Traditionen und Bräuchen festzuhalten. Balder nahm so die Identität des Heiligen von Myra an und beschenkte die braven Kinder, während Krampus in einem Verlies endete.
Doch Broms Roman ist weitaus mehr als ein Wiedersehen mit alten Göttern und mythischen Geschöpfen. Er erzählt auch von einem Amerika, in dem der amerikanische Traum ein Überbleibsel aus längst vergangenen Tagen zu sein scheint. Krampus wird in der neuen Welt nicht nur mit Kindern konfrontiert, deren Glück von einem leuchtenden Bildschirm abhängt. Er findet nach seiner 500-jährigen Gefangenschaft eine Welt vor, die der Mensch durch Raubbau an der Natur zerstört und in der sich die Menschheit durch Drogen selbst zu Grunde richtet.
In diesem trostlos wirkendem Land scheint es keinen Platz mehr zu geben für Jahrhunderte alte Traditionen, die die Wiedergeburt von Mutter Natur einleiten. Und vielleicht ist dies ein Teil der Moral der Geschichte: egal ob Weihnachten oder Julfest, die Zeit sollte geprägt sein von Lebensfreude und der Hoffnung auf ein frohes, neues und glückliches Jahr.
Fazit:
"Krampus" ist ein spannender und fantastischer Abenteuerroman vor dem Hintergrund eines Amerikas, in dem der "American Dream" ausgeträumt scheint. Der Autor und Illustrator Brom vermischt in seiner Interpretation des Krampus-Mythos germanische Vorstellungen mit nordischer Mythologie und versetzt den Walddämonen in das heutige West Virginia. Die Leser erwartet eine gelungene Mischung aus Abenteuer und Mythen.
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