Landschaften der Metropole des Todes: Ausschwitz und die Grenzen der Erinnerung und der Vorstellungskraft
Story:
Dov Kulka hat Auschwitz überlebt. Lange Zeit wollte er nicht über seine Erlebnisse berichten. Bis jetzt.
Meinung:
Das Thema Auschwitz ist hier in Deutschland lang und breit bearbeitet worden. Es, und die Hitler-Zeit an sich, sind heute hierzulande die wohl am besten erforschten historischen Epochen. Wie wird sich Dov Kulkas "Landschaften der Metropole des Todes: Auschwitz und die Grenzen der Erinnerung und der Vorstellungskraft" dabei behaupten?
Otto Dov Kulka selber hat den Holocaust er- und überlebt. Er wurde 1933 in der Tschechoslowakei geboren und kam mit 11 Jahren in das KZ. Inzwischen ist emeritierter Professor für die Geschichte des jüdischen Volkes an der Hebräischen Universität von Jerusalem.
Mit 192 Seiten ist "Landschaften der Metropole des Todes" ein schmales Werk. Und so fragt man sich unwillkürlich, was dieses Buch von anderen Erinnerungen an den Holocaust abhebt? Sicherlich die Tatsache, dass Herr Kulka sich lange Zeit weigerte, sich mit anderen Berichten jeglicher Art über die Shoa zu beschäftigten. Und das sein gesamtes Leben lang. So ist es ihm möglich, auf seine eigene Art seine Sicht zum Thema wiederzugeben.
Auslöser war ein Besuch in den 70er Jahren, als er 1978 zu einem Kongress nach Polen fuhr. Als die dortigen Wissenschaftler später ein Touristenprogramm absolvieren, macht er sich selbstständig. Und so kommt er zum zweiten Mal nach Auschwitz, dieses Mal jedoch zu Fuß und nicht, wie damals auf den Schienen.
Für seine Eindrücke benutzt er eine bildgewaltige Sprache, die sich auf die Momente konzentriert. Und so erfährt man beispielsweise, dass gegenüber dem Krematorium oft Schillers "Ode an die Freude" oder Beethovens Neunte gespielt wurden. Ein krasser Gegensatz, der sich einem ins Gehirn förmlich einbrennt.
Otto Dov Kulka präsentiert mit seinem Buch keine ausführliche Biographie, sondern konzentriert sich auf Schlaglichter, die das Grauen jener Zeit deutlich wiedergeben. Und dies macht das Buch nicht so einfach zu lesen. Nur so kann der Autor sein Ziel erreichen: Wiederzugeben, was damals in ihm vorging und wieso er meint, sich in der Rezeption jener Ereignisse nicht wiederzufinden.
Allerdings muss man auch kritisieren, dass stellenweise Herrn Kulka zu sehr der Wissenschaftler rausrutscht. Wenn er anfängt über Metaebenen zu reden, oder sich in die Welt von Kafka flüchtet und von dort aus die Ereignisse analysiert, vergisst er manchmal den interessierten Leser mitzunehmen. Dann konzentriert er sich nur auf all jene Menschen, die seinen Gedanken folgen können, was vermutlich nur diejenigen tun können, die genauso gebildet sind wie er.
Ist dies also ein Grund dafür, das Buch links liegen zu lassen? Nein. Denn wann man sich auf den Text einlässt und sich ausführlich mit den Gedanken des Autoren beschäftigt, wird man von der Geschichte Kulkas förmlich erschlagen. Und so ist der Band ein "Klassiker", eben nur mit einem Schönheitsfehler.
Fazit:
In "Landschaften der Metropole des Todes: Auschwitz und die Grenzen der Erinnerung der Vorstellungskraft" erinnert sich der emeritierte Wissenschaftler Otto Dov Kulka an seine Zeit in Auschwitz. Das Ergebnis ist ein gewaltiges Stück Buch, trotz oder gerade wegen der wenigen Seiten. So kann sich der Autor voll und ganz auf die Schlaglichter konzentrieren und präsentiert Augenblicke, die sich in das Gehirn eines Menschen förmlich einbrennen. Stellenweise merkt man allerdings Herrn Kulka an, dass er lange Zeit an einer Universität lehrte. Dann nämlich, wenn er Gedanken spinnt, die man nur dann verfolgen kann, wenn man ein gleiches Bildungsniveau besitzt.
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