Jäger des verlorenen Einhorns
Story:
Privatdetektiv John Justin Mallory
verbringt Silvester allein, nachdem ihn nicht nur sein
Geschäftspartner verlassen hat, sondern dieser auch noch mit seiner
Ehefrau durchgebrannt ist. Kaum hat sich Mallory damit abgefunden,
die Nacht in seinem Büro mit einer Flasche Bourbon zu verbringen und
auf die Schläger zu warten, mit denen sein Ex-Partner noch eine
Rechnung offen hat, taucht plötzlich ein grüner Elf vor ihm auf,
der ihm einen Auftrag anbietet. Mallory soll das Leben des kleinen
Wesens retten, indem er ein gestohlenes Einhorn wieder findet. Schon
bald findet sich der Detektiv in einem ganz anderem
New York wieder, das bewohnt ist von Goblins, Trollen, Elfen,
Katzenmenschen und vielerlei weiteren fantastischen Geschöpfen, von
denen ihm einige helfen, andere ihn aber töten wollen.
Meinung:
Gehen ein bankrotter Detektiv, ein
sexbesessener Elf, eine verspielte Katzenfrau, ein weiblicher Oberst,
ein geschrumpftes Pferd und ein abgehalfterter Magier auf
Einhornsuche … Klingt nach einer verrückten Mischung? Ist es auch!
In dem bereits 1997 bei Heyne unter dem Titel „Die Einhornpirsch“
erschienen Roman sendet Vielschreiber Mike Resnick (der im Lauf seiner Karriere bisher über 60 Romane und über 250 Kurzgeschichten geschrieben hat) ein äußerst
skurriles Team auf eine noch verrücktere Suche nach einem
verschollenen Einhorn und dessen heiß begehrtem Edelstein unter dem
Horn. Nun hat sich Bastei Lübbe der Reihe um Detektiv Mallory (engl.
„Fable of Tonight“-Serie) angenommen, die bisher drei Bände
umfasst. Neu übersetzt und mit neuem Cover ausgestattet ist das Buch
seit Ende Juli im Handel erhältlich.
Das fantastische Abenteuer beginnt
ziemlich klassisch: Ein ganz normaler und überaus zynischer Detektiv
wird mit der Existenz von Fabelwesen konfrontiert. Was er zunächst
auf die Wirkung einer Flasche Bourbon zurück führt und als
Hirngespinst abtut, entpuppt sich schon bald als Realität. Der Elf
Murgelström führt ihn sobald in ein New York, das sich radikal von
der ihm vertrauten Metropole unterscheidet.
Der ehemalige Collie-Züchter Resnick
entwirft eine Gegenwelt, in der anstelle der bekannten Yellow Cabs
gelbe Elefanten Fahrgäste transportieren, Schachpartien schon mal
ein halbes Jahrhundert dauern und Tiere reden können. Nicht zu
sprechen von den ganzen Monstern, Dämonen oder Zinnsoldaten, die
durch die Straßen laufen. Und Mallory macht sich ausgerechnet den
gefürchtetsten von ihnen, den Dämon Grundy, zum Feind auf
Lebenszeit.
In diesem anderen New York ist
nichts so, wie es scheint. So gibt es hier tatsächlich Häuser mit
einem 13. Stock, auch wenn dieser nicht immer leicht zu finden ist.
Oder Bars, die den Roaring Twenties entsprungen zu sein scheinen und
Drinks zum Preis von damals anbieten. Auch muss sich Mallory daran
gewöhnen, dass man hier im Kreis laufen kann und dennoch nicht an
derselben Stelle ankommt, von der aus man losgelaufen ist.
Die wenigen Stunden, die Mallory zum
Lösen des Falls bleiben, werden hauptsächlich durch Dialoge
erzählt. Diese sprudeln geradezu über vor Witz, Charme und Unsinn,
die der rauchende Detektiv mal mehr, mal weniger bissig kommentiert.
Jede Person hat eine ganz bestimmte Art, mit Mallory und der
restlichen Umwelt zu kommunizieren. So lässt z. B. das verfressene
Katzenmädchen Felina immer ihre Zuneigung zu dem Privatdetektiv
durchblicken, wohingegen Oberst Winnifred Carruthers ihr Paroli
bietet und gegenüber dem geschrumpften Pferd Eohippus mütterliche
Zuneigung zeigt. Die spärlich gesäten kurzen Textpassagen dienen
dazu, das Äußere der einzelnen Personen und Wesen zu
charakterisieren und Örtlichkeiten zu beschreiben.
Tolles Heldenteam, großartige Dialoge
und eine spannende Handlung – eigentlich kann nichts Schlechtes
über das Buch geschrieben werden. Es ist allerdings recht
merkwürdig, dass der Verlag die Neuübersetzung als „Deutsche
Erstveröffentlichung“ gekennzeichnet hat. Falls es sich hierbei um
eine Übersetzung des Originaltextes von 1987 handelt, müsste der
amtierende US-Präsident Ronald Reagan und nicht Barack Obama heißen,
und die Charaktere über das 20. statt über das 21. Jahrhundert
diskutieren.
Fazit:
Das andere New York ist eine
Reise wert! 382 Seiten voller Charme, Spannung und Humor mit
teilweise völlig abgedrehten Charakteren. Viel besser als mit dieser
Lektüre kann man als Fan von Fantasy- und Kriminalromanen kaum
seinen Leseabend verbringen. Zum Glück folgt der zweite Band der
Reihe bereits im November.
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