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William Horwood auf Deutsch - Teil 3
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William Horwood auf Deutsch

Dann war es an der Zeit, etwas aus dem Roman selbst zu hören. William Horwood wollte sogar eine kurze Passage selbst auf Deutsch lesen. Denn er hatte als Kind ein Jahr in Deutschland verbracht. Nach dem Krieg war für seine Mutter die Völkerverständigung ein großes Thema, weshalb die Geschwister in verschiedene europäische Länder geschickt wurden. Und so ging der junge William für ein Jahr nach Norddeutschland. Noch aus dieser Zeit versteht und spricht er durchaus brauchbar Deutsch, hat diese Fähigkeiten aber seit 40 Jahren nicht mehr verwendet und überhaupt noch nie vor Publikum auf Deutsch vorgelesen. Man könnte also sagen, es war eine besondere Ehre, an diesem Abend dabei gewesen zu sein.

Und das Ergebnis war durchaus beachtlich. Abgesehen von einigen ungewohnten Betonungen und Stolperern konnte sich Horwoods Deutsch sehen lassen. Gewählt hatte er übrigens einen Ausschnitt aus Kapitel Zwei, wenn die Leser zum ersten Mal auf die Hydden Master Brif, Mister Pike, Mister Barklice und natürlich den noch jugendlichen Bedwin Stort treffen. Nach einigen Sätzen fuhr William Horwood dann im vertrauteren Englisch fort. Dazu erläuterte er, dass Stort die wichtigste Figur in der Geschichte sei und sogar ein reales Vorbild habe. Es habe ihn gereizt, einen Helden zu schaffen, der einmal nicht physisch attraktiv ist. Bedwyn Stort ist sehr intelligent, aber die Liebe verwirrt ihn, weil sie nur mit dem Verstand nicht komplett zu begreifen ist. Er ist auf der Suche nach der Liebe. Natürlich wird er sie finden, meinte der Autor, aber wie und in welcher Form, wurde noch nicht verraten.

Wenn Romane erwachsen werden

Denis Scheck stellte nun seine nächste Frage, nämlich ob es Spaß mache, eine komplett neue Welt für eine Fantasy-Roman zu erfinden? Schließlich ist der Autor der alleinige Herrscher dieser Welt und kann schalten und walten, wie es ihm gerade beliebt. William Horwood widersprach da ein Stück weit: Irgendwann, zwischen dem letzten Korrekturlesen und der Drucklegung, muss ein Autor sein Werk "gehen lassen". Er verglich die Situation mit Eltern, die ihre Kinder auch irgendwann ins Leben entlassen müssen. Um sich selbst zu befreien, müsse man seine Kinder befreien, ebenso wie seine literarischen Schöpfungen. Aus dem fertigen Buch kann dann jeder Leser etwas anderes für sich ziehen. Beispielsweise sieht sich Horwood als Buddhist. Er erhält aber häufig Briefe, in denen ein Leser ihm erklären möchte, dass er eindeutig ein guter Christenmensch sei, das zeige sich doch in seinen Brüchern ganz deutlich.

Im Zweifel geht es um den Krieg, Darling

Als nächstes ging es um etwas, das vielen deutschen Lesern aufgefallen sein wird: Das Geschlecht, das die Hyddenworld im eisernen Griff hält, stammt aus Deutschland. Warum hat Horwood seine Feinde von hier kommen lassen? Der Grund ist eher prosaisch: Wenn ein Autor auf bestehenden Konnotationen und Empfindungen seiner Leser aufbauen kann, muss er weniger erklären, und die Geschichte funktioniert oft besser. Und mindestens seit den beiden Weltkriegen haben britische Leser ganz bestimmte Assoziationen mit Deutschen und Deutschland. Daher lag es einfach nahe, die erbarmungslosen Antagonisten aus Deutschland kommen zu lassen. Außerdem ist es einfacher, über geographisch nahe Gebiete zu schreiben. Ursprünglich hatte Horwood geplant, seine Charaktere durch die halbe Welt, unter anderem nach Australien, reisen zu lassen. Es erwies sich jedoch als besser, sich auf Europa zu beschränken. Horwood musste jedoch zugeben, dass er keine Feinde schreiben kann, ohne sich in sie zu verlieben. Der oberste der Sinistral, der herrschenden Sippe, sollte zunächst ein richtiger preussischer "Komisskopp" werden. Aber im Laufe der Zeit wurde der unter Bochum lebende Anführer immer sympathischer.

Eine andere Figur entstand aus der Verärgerung über das Fernsehprogramm, genauer über die auch in Deutschland allgegenwärtigen Kochsendungen. Wohin man auch schaltet, irgendein mehr oder weniger begabter Typ erklärt einem, warum es wichtig ist, aus Russland importiertes Salz oder sonst eine ganz besondere Zutat zu verwenden. Horwoods Frau ist eine sehr gute Köchin, die, so berichtete der Schriftsteller, auch solche exotischen Zutaten jeden dieser Fernsehköche in die Tasche steckt. Also schuf Horwood in seinem Roman einen Koch, der besser ist als jeder andere Koch des Planeten. Parlance ist klein, trägt aber eine riesige Kochmütze und kredenzt seinem Herrn, dem Hochaltermann Festoon, die absurdesten Gerichte.

Jetzt war es wieder an der Zeit für ein Stück aus dem Roman, was diesmal der Sprecher Frank Streichfuss übernahm. Passenderweise las er die Stelle, als sich Parlance und Festoon als Kinder das erste Mal begegnen.
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Special vom: 09.07.2012
Autor dieses Specials: Henning Kockerbeck
Die weiteren Unterseiten dieses Specials:
Tentakel! - Teil 1
Familiensuche - Teil 2
Tote Hobbits und Maulwurfsgenitalien - Teil 4
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