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Interview mit Sam Sykes (Deutsch)
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Herr Sykes, zunächst möchte ich mich für die Gelegenheit bedanken, Ihnen einige Fragen zu stellen. Mein Name ist Götz Piesbergen und ich bin Redakteur beim deutschen Online-Büchermagazin Splashbooks.de. Splashbooks ist ein Teil des Splashpages-Netzwerks, eines der größten deutschen Netzwerke von Online-Magazinen über Multimedia-Themen wie Bücher, Comics, Games oder Filme.

Lassen Sie uns mit einer ungewöhnlichen Frage beginnen: Welches Buch liegt gerade neben Ihrem Bett?

Ich bin gerade dabei umzuziehen, darum habe ich gerade keinen Nachttisch, auf den ich Bücher legen könnte. Aber als Enthüllung, die viel mehr verrät als Ihr jemals über mich wissen wolltet, ich schlafe manchmal mit Büchern im Bett, wie kleine, mit Tinte besprenkelte Geliebte, die mir kleine Schnittwunden mit ihrem Papier beibringen, wenn ich zu verspielt werde.

Und dieses Buch ist gerade The Perilous Prophecy of Guard and Goddess von Leanna Renee Hieber (bisher nicht auf Deutsch erschienen, d. Red.). Das ist eine größtenteils Gothic-angehauchte, romantische Fantasy-Geschichte, man könnte meinen das würde meine Männlichkeit beeinträchtigen. Aber dann würde man falsch liegen. Ich kann sogar die Lektüre von Geschichten über gut angezogene, überspannte Frauen mit schwierigen Beziehungskisten männlich wirken lassen.

Und wenn ich in Tränen ausbreche wegen der Liebesmühen einer Frau? Das ist auch männlich. Aber nur, wenn ich es tue.

Was ist Ihr Lieblingsgenre außer Fantasy?

Meine Güte, ich weiß nicht. Ich habe in letzter Zeit ziemlich viele Sachbücher gelesen, die Memoiren von Überläufern aus Nordkorea. Warum? Ich habe keine Ahnung. Es hilft mir bei meinen Büchern eigentlich überhaupt nicht weiter. Aber davor habe ich etwas über die Paarungsgewohnheiten der Anglerfische gelesen (nicht fragen, einfach Die Tore zur Unterwelt lesen), und davor habe ich Urban Fantasy gelesen.

Ich bin entweder ein wirklich aufgeschlossener Leser oder ein wirklich treuloser, übermütig flatternd von Genre zu Genre, ohne Rücksicht auf deren Gefühle oder sonst etwas außer meiner eigenen Neugier.

Ihre Mutter Diana Gabaldon ist ebenfalls Autorin, vor allem bekannt für ihre “Outlander”-Serie. Gab es Momente, wo Sie auf ihre Erfahrungen zurückgreifen konnten? Oder versuchten Sie bei ihren Begegnungen dieses Thema zu vermeiden?

Nun ja, es wäre sinnlos zu behaupten, dass es nicht zumindest ein klein wenig nützlich auf die eine oder andere Weise gewesen wäre. Keine davon allerdings professionell. Ich war eher nicht auf die emotionalen Aspekte vorbereitet oder den Einfluss auf den Lebensstil, wenn man erst mal veröffentlicht ist. Da war es angenehm, jemanden in der Nähe zu haben, der das schon erlebt hat.

Das war es aber auch schon ungefähr. Ich habe mir nie bei ihr Rat geholt, was Stilfragen oder sonst irgendetwas Künstlerisches betrifft. Ich wollte meine eigene Stimme durchscheinen lassen.

Welchen Einfluss hatte Ihre Mutter auf die Entscheidung, mit dem Schreiben anzufangen?

Oh Mann, wenn Ihr auf eine Geschichte über Inspiration und familiäre Stärke hofft, muss ich Euch leider enttäuschen. Wie gesagt, sie hatte keinen sonderlich großen Einfluss auf meine Entscheidung gehabt. Ich habe gewissermaßen mit dem Schreiben angefangen, weil ich schlicht völlig unfähig in allem außer dem Schreiben bin. Ich bin aus drei Studiengängen an der Universität geflogen, bevor ich mich für Kreatives Schreiben entschieden habe.

Meine Mutter hat mich sehr mit ihrem Wissen und Ihrer Erfahrung unterstützt, aber alle wichtigen Entscheidungen habe ich alleine getroffen.

Denken Sie, dass der Name Ihrer Mutter in Ihrer eigenen Karriere Türen geöffnet hat, oder mussten Sie sich eher dagegen wehren, nur als “der Sohn von” betrachtet zu werden?

Eigentlich nicht. Die Bücherbranche funktioniert so nicht. Mein Agent hat nicht wegen meiner Mutter für mich gearbeitet. Meine Verlage haben meine Bücher nicht eingekauft, nur weil meine Mutter ist wer sie ist. Ich bin dahin gekommen wo ich heute bin, weil meine Redakteure, Agenten und Verleger glauben, dass mein Buch gut ist. Sie sind Geschäftsleute, sie machen ihre Arbeit, um damit Geld zu verdienen.

Noch eine letzte Frage über Sie und Ihre Mutter: Sie gehört zu den Autoren, die sich sehr deutlich gegen Fan Fiction-Geschichten mit ihren Figuren ausgesprochen haben. Wie stehen Sie zu diesem Thema?

Gut, denn so langsam GEHEN MIR DIESE FRAGEN FURCHTBAR AUF DIE NERVEN.

Nein, Scherz.

Das Problem hat sich für mich noch nicht gestellt. Ich hoffe, das tut es auch weiterhin nicht, denn ich bin nicht so taktvoll wie meine Mutter, wenn jemand anderer Meinung ist als ich. Ich neige dazu, meine Probleme zu lösen, indem ich schreie und mit Felsen schmeiße.

Ich habe besonders Ihre schillernde Abenteurertruppe genossen. Vor allem der Drachenmann Gariath ist ein interessanter Charakter, einzigartig auf seine ganz eigene Weise. Was hat Sie zu dieser Figur inspiriert?

Viele der Charaktere in Die Tore zur Unterwelt sind Zersetzungen von Charakteren, die man aus der Fantasy kennt, jeweils mit einem ganz besonderen Dreh. Kataria gehört zu einer eleganten, fremden Rasse und ist selbst ziemlich unelegant und barbarisch. Lenk ist ein Held, der kein besonderes Interesse daran hat, heldenhaft oder gar nobel zu sein, und so weiter.

Genauso ist Gariath eine Figur, die an der Oberfläche wie ein wütendes, gewalttätiges Biest wirkt. Das ist in der Fantasy nicht ganz unbekannt, aber wie bei allen meinen Charakteren gibt es auch bei ihm mehr als es zunächst scheint.

Gariath ist ein Charakter, der eine ungeheure emotionale Last trägt. Er glaubt, der letzte Überlebende seiner Rasse zu sein, seine Familie ist tot und er ist umgeben von Lebewesen, die ihn nicht verstehen und ihn fürchten. Dadurch ist er verständlicherweise sehr einsam und niedergeschlagen. Aber weil er vierhundert Pfund wiegt, fast sieben Fuß groß und muskelbepackt ist, drückt er seine Depressionen auf ungewöhnliche Weise aus.

Er ist eindeutig lebensmüde. Er kümmert sich keinen Deut um sein eigenes Leben oder das Leben von anderen, er hat keinen sonderlich großen Lebenswillen mehr. Aber auf der anderen Seite hat er nicht den Mut, seinem Leben ein Ende zu setzen. Er hofft darauf, getötet zu werden, indem er sich ständig in Kämpfe und andere Gefahren stürzt. Am Ende wollte ich wissen, wovor jemand, der keinerlei Grund zur Angst hat, dann doch Angst hat. Gariath war die Antwort.

Mit welchem Ihrer Charaktere fühlen Sie sich am stärksten verbunden? Wenn sie real wären, mit wem würden Sie abends ein Bier trinken gehen?

Das weiß ich nicht. Sie wirken alle wie ziemlich schlechte Trinkgenossen, nicht wahr? Lenk würde nicht mit einem reden wollen, Kataria oder Gariath würden versuchen einen umzubringen, Denaos würde einem Drogen ins Bier mischen, Asper würde einem eine Predigt halten, weil man sich dem Gebräu des Teufels hingibt, und Dreadaeleon würde nach dem ersten Glas total blau alle Frauen in Reichweite angraben.

All das habe ich selbst schon getan, wenn ich einen trinken war, also ist die Antwort wohl, ich fühle mich mit allen ziemlich gut verbunden. Lenk als Hauptfigur ist wohl am ehesten eine Personifikation von mir. Ich denke das bedeutet dann, ich bin ein Misantroph, der Stimmen hört?

In den letzten Jahren ist mir ein interessanter Trend aufgefallen. Es scheint das viele Autoren, beispielsweise Brent Weeks in seiner “Night Angel”-Trilogie (Rezension von Band 1, Band 2, Band 3, d. Red.), sehr brutale und blutige Fantasy-Geschichten schreiben. Das trifft auch auf Ihr Buch zu. Warum haben Sie sich dafür entschieden, eine solche Geschichte zu schreiben? Und glauben Sie, dass derartige Geschichten in Zukunft noch häufiger sein werden? Wenn ja, warum?

Die kurze Antwort ist, Brutalität ist lebensechter. Es ist schwer vorstellbar, dass eine Gesellschaft mit Assassinen, Kriegern, Abenteuerern und Zauberern eine besonders sauberere sei. Vermutlich ist das einzige, was uns heutzutage davon abhält, viele Probleme mit Gewalt zu lösen, das Gesetz und unsere Geschichte. Das trifft in diesen Geschichten nicht zu. Die ausgeprägte Brutalität gibt den Geschichten ein Gefühl der Realität, die gelegentlich ans Überzogene grenzt.

Ich denke, der interessantere Aspekt dieser Frage ist dieser Eindruck von Realität. Fantasy wurde immer dafür kritisiert, nur eskapistisch zu sein ohne wirklichen Einfluss auf die Realität. Diese Bücher sind die Antwort auf diese Kritik. Nicht unbedingt wegen dem Blut und der Eingeweide, aber weil man merkt, dass diese Geschichten sich mit menschlichen Emotionen beschäftigen, mit menschlichen Ängsten, menschlichen Unsicherheiten. Die Gewalt spiegelt das nur wider. In Brent Weeks Werken oder in Joe Abercrombies Werken steht die Gewalt immer im Zusammenhang mit Emotionen. Sie kommt nie wegen des reinen Schockeffekts vor.

Solche Geschichten sind in den letzten Jahren mehr geworden. Aber, wie bei allen Trends, habe ich das unangenehme Gefühl, dass irgendjemand es übertreiben wird und ein super brutales, ultra blutiges Massaker von einem Buch schreiben und es damit für alle anderen runieren wird.

Ich habe in einem Interview gelesen, dass die “Aeons Gate”-Romane als Trilogie geplant sind. Der zweite Band ist (im englischen Original, d. Red.) bereits erschienen, das Ende ist also absehbar. Haben Sie schon Pläne, wie es danach weitergehen wird? Werden die nächsten Geschichten im selben Universum angesiedelt sein oder werden sie eine ganz neue Welt entwerfen?

Oh Mann, ich hasse diese Fragen. Nicht weil ich sie nicht beantworten will, sondern weil ich es im Moment wirklich nicht kann. Ich habe große Pläne. Große Pläne. Elefantenartige Pläne. Sie werden Euch wie kleine Mädchen quietschen lassen, wenn sie erst mal enthüllt sind.

Aber weil ich sie bisher gerade mal mit meinem Agenten besprochen habe, kann ich noch nicht viel darüber erzählen, fürchte ich. Aber ich kann sagen, dass es atemberaubend sein wird.

Mir haben die Zeichnungen sehr gefallen, die Sie von einigen Charakteren auf Ihrer Homepage zeigen. Gibt es die Chance, dass Ihre Bücher einmal als Comics umgesetzt werden? Wenn ja, welches wäre ihr Traumteam dafür?

Ach, ja. Die Lost Pages sind einer meiner Favoriten (und ich bin wirklich hintendran mit der zweiten Runde, muss ich zugeben), gezeichnet von dem talentieren Michael Lee Lunsford. Ich mag seinen Stil generell sehr, also hätte ich gerne, dass er zumindest in irgendeiner Form dabei ist, wenn es tatsächlich mal eine Comicumsetzung geben sollte. Ansonsten weiß ich nicht so recht. Ich möchte aber auf alle Fälle mindestens beim Schreiben einer solchen Fassung beteiligt sein.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus? Setzen Sie sich selbst morgens Ziele wie “Heute will ich 5.000 Wörter schreiben”?

Ich habe nie verstanden, wie jemand so schreiben kann. Ich beneide diese Leute auf jeden Fall dafür, dass es ihnen so leicht von der Hand geht, aber ich kann so meist nicht arbeiten. Ich schreibe, solange ich in der passenden Stimmung bin, und dann habe ich ein Problem damit, etwas Neues anzufangen. Es ist schwer nach einer Szene, in der ein Mann einem anderen den Kiefer abreißt, einfach so überzugehen zu einer Szene, in der zwei Menschen versuchen zu verstehen, warum es ok ist einander zu lieben, versteht Ihr?

Ich versuche also, jede Szene an einem Abend fertigzubekommen. Manchmal kriege ich es hin, machmal nicht.

Hören Sie Musik beim Schreiben? Wenn ja, bevorzugen Sie bestimmte Bands?

Früher habe ich oft beim Schreiben Musik aus den Final Fantasy-Videospielen gehört. Da gibt es keine Worte, die sich in meinen Denkprozess einschleichen könnte, und alle Lieder vermitteln bestimmte Stimmungen. Es war also hilfreich, intensive und adrenalingefüllte Musik zu hören, wenn man eine Kampfszene schreiben will, und so weiter.

In letzter Zeit allerdings lenkt mich Musik vor allem ab. Das Business hat meine musikalische Seele zerstört.

Es gibt immer noch Leute, die Fantasy-Geschichten kritisieren, weil sie sie für nichts anderes als billige Mittel zur Realitätsflucht halten. Was antworten Sie diesen Kritikern? Was macht Fantasy für Sie der Mühe wert?

Ich habe es schon angesprochen, aber es verkraftet eine Wiederholung. Jedes Kunstwerk, schon von der Definition her, enthält eine Aussage über die menschliche Natur, darüber was es heißt Mensch zu sein, was es heißt, das zu sein was wir sind. Wir können das nicht nicht tun. Fantasy erzählt davon nur auf andere Art als andere Literatur.

Darüber hinaus habe ich keine Idee, warum die Meinungen von Leuten, die so etwas sagen, mich interessieren sollten. Sie mögen ihre Geschichten, wir mögen unsere. Wir finden etwas in Fantasy, was sie dort nicht finden, und sie haben keinen großen Antrieb danach zu suchen, sonst würden sie uns nicht so einfach abschreiben. Ihre Meinungen haben eigentlich keine Bedeutung, für mich jedenfalls nicht.

Danke für Ihre Zeit.

Danke für das Interview! Es hat sehr viel Spaß gemacht!
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Special vom: 20.05.2011
Autor dieses Specials: Götz Piesbergen
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