Gottlos
Story:
In einer kleinen Stadt in der Nähe von Atlanta finden die Gerichtsmedizinerin Sara Linton und der Polizeichef Jeffery Tolliver bei einem Spaziergang die Leiche einer jungen Frau. Lebendig wurde sie in einer Holzkiste im Wald vergraben, die Spuren weisen darauf hin, dass Abigails Tod langsam und unvorstellbar qualvoll gewesen sein muss. Jeffery Tolliver und Detektiv Lena Adams beginnen zu ermitteln, doch die enge und streng religiöse Gemeinschaft, in der Abigail lebte, erschwert jede Befragung. Doch dann wird eine zweite Holzkiste im Wald gefunden, während Abigails Schwester verschwunden ist.
Meinung:
In "Gottlos" schafft es Karin Slaughter hervorragend, in einer kleinen Stadt ein unvorstellbares Grauen heraufzubeschwören. Vom ersten Augenblick an müssen die Ermittler gegen ihre eigenen Vorurteile gegenüber einer sektenhaft anmutenden Familie ankämpfen. Die religiöse Gemeinschaft, in der die tote Abigail aufgewachsen ist, wirkt auf den ersten Blick friedlich und abgeschottet von den Gefahren der Außenwelt. Doch so friedlich und abgeschottet ist die Gemeinschaft dann doch nicht, denn fast 200 Farmhelfer mit überwiegend krimineller Vergangenheit erhalten auf dem Anwesen der Familie die Chance, ein neues Leben zu beginnen.
Die Autorin beschreibt diese Glaubensgemeinschaft mit einem erschreckenden Realismus, der aber auch schon mal den Gedanken aufkommen lässt, wie befriedigend und schön so ein einfaches Leben sein müsste. Auf der einen Seite ist da eine Familie, die eng zusammenlebt, anscheinend ohne dabei ihre Mitglieder einzuengen. Ein einfaches, aber nicht freudloses Leben, ausgerichtet an den Lehren der Bibel. Und auf der anderen Seite steht die Vergangenheit einiger Farmbewohner sowie die Regeln, die die Gemeinschaft dem Individuum, besonders den Frauen unter ihnen, auferlegt, ebenso wie die Weltfremdheit, in der die Kinder dort aufwachsen.
Dieser zum Teil sehr naiven Gemeinschaft stehen die Gerichtsmedizinerin Sara und die beiden ermittelnden Polizisten gegenüber. Alle drei haben in ihren Berufen Dinge gesehen, die ihnen keinen naiven Blick mehr auf das Leben erlauben. Zusätzlich hat jeder von ihnen seine eigenen privaten Probleme, die sie immer wieder von der Arbeit ablenken. Sara und Jeffrey haben gerade erst wieder zueinander gefunden und noch steht ihre Beziehung auf tönernen Füßen.
Lena Adams hingegen bekommt mit diesem Fall gleich mehrere Spiegel vorgehalten, die sie zwingen, über ihre eigene private Situation nachzudenken. Gerade diese private Betroffenheit macht es ihr schwer, objektiv zu ermitteln, statt gedankenlos in die Bresche zu springen, wenn sie das Gefühl hat, dass eine Frau unterdrückt oder gar misshandelt wird.
Insgesamt bietet Karin Slaughter mit "Gottlos" einen etwas ruhigeren und nachdenklicheren Roman, als man es in der Reihe um Sara Linton und Jeffrey Tolliver gewohnt ist. Der Kriminalfall ist weniger blutig, dafür wird mehr auf die innere Entwicklung der Hauptpersonen eingegangen. Somit empfiehlt sich dieses Buch eher Lesern, die eine langsam entwickelte Geschichte mit psychologischen Ansätzen einem reißerischen und blutigen Thriller vorziehen, bei dem die Handlung atemlos dahinhetzt.
Wie schon die anderen Romane aus der Reihe, kann man "Gottlos" ohne Vorwissen aus den früheren Bänden lesen. Auch wenn es den einen oder anderen Verweis auf vorherige Erlebnisse, gerade zwischen Sara und Jeffrey, gibt, hat man nicht das Gefühl, etwas nicht zu verstehen oder gar unwissend stehen gelassen zu werden.
Fazit:
Karin Slaughter hat mit "Gottlos" wieder einen handfesten Thriller abgeliefert. Auch wenn dieses Mal der Schwerpunkt mehr auf der psychologischen Seite als auf Gemetzel liegt, überzeugt der Roman mit seinem realistischen Aufbau und der Charakterentwicklung. Das Thema Sekten und Gewalt innerhalb von Familien ist ebenfalls mit erschreckender Stimmigkeit dargestellt.
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Karin Slaughter
Gottlos
Faithless
Übersetzer: Sophie Zeitz
Erscheinungsjahr: 2007
Autor der Besprechung:
Konstanze Tants
Verlag:
Wunderlich
Preis: € 19,90
ISBN: 978-3-8052-0805-5
512 Seiten
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