Der törichte Engel
Story:
Weihnachten in Pine Cove. Oder vielleicht auch nicht, denn wenige Tage vor dem Fest wird der Weihnachtsmann ermordet. Das glaubt zumindest der sechsjährige Josh. Er kann nicht wissen, daß unter dem Nikolauskostüm der bösartige Immobilenmakler Dale steckte und dessen Ex-Frau Lena ihn mehr aus Versehen getötet hat. Josh ist verzweifelt, denn ohne Weihnachtsmann kein Weihnachten und auch keine Geschenke, oder? Er sieht nur eine Chance: Er betet zu Gott, daß der den Weihnachtsmann wieder lebendig mache. Gott erhört dieses Gebet zwar nicht, aber der Erzengel Raziel ist gerade in der Gegend...
Dabei ist Raziel nicht der einzige, der in Pine Cove für Trubel sorgt. Lena versucht, Dales Tod zu vertuschen, mit tatkräftiger Hilfe eines durchreisenden Piloten namens Tucker Chase. Theo, einziger Polizist am Ort und Ex-Junkie, versucht zu ermitteln, wo der verschwundene Dale abgeblieben ist. Dabei ist es nicht gerade hilfreich, daß seine Frau Molly ihn vor die Tür gesetzt hat. Die frühere B-Movie-Queen und Ex-“Dorfirre“ scheint wieder mehr in der Welt des „Warrior Babe of the Outland“ als in unserer Realität zu leben. Aber am Ende wird alles wieder gut – oder?
Meinung:
Es ist Weihnachten in Pine Cove, und alle kommen sie: Man könnte meinen, Christopher Moore wollte die Protagonisten seiner bisherigen Romane unter dem Weihnachtsbaum versammeln. Einige Einwohner des Städchens sind dem Leser bereits aus „Der kleine Dämonenberater“ oder „Der Lustmolch“ vertraut, die ebenfalls in Pine Cove spielen. Aus „Die Himmelsgöttin“ schneit Tucker Chase samt Flughund Roberto vorbei, und der Engel Raziel hatte bereits in „Die Bibel nach Biff“ die Flügel im Spiel. Sogar der selbsternannte Rastafari Kona aus „Flossen weg!“ wird mit einer (versteckten) Erwähnung bedacht. Nur aus den frühen Romanen „Lange Zähne“ und „Blues für Vollmond und Coyote“ scheint niemand Zeit gehabt zu haben.
Die Geschichte ist, wie von Moore gewöhnt, sehr, sehr lustig. Wenn Theo einen sehr großen Tannenbaum (inklusive sehr kleinem Auto darunter) durch die Straßen von Pine Cove verfolgt, oder Molly und Raziel sich über männliche und weibliche Engel unterhalten, liegt der Leser vor Lachen in der sprichwörtlichen Ecke. Zu Beginn braucht der Roman etwas, um in Fahrt zu kommen. Das könnte mit der Entstehungsgeschichte des Buches zusammenzuhängen, wie sie in der Widmung deutlich wird: Moores Verleger schlägt ihm vor, doch mal ein Weihnachtsbuch zu schreiben. Der reagiert mit „Na gut“. Entsprechend geht es etwas lustlos los, aber bald scheint der Autor Spaß an seiner eigenen Geschichte gefunden zu haben.
Der Roman erinnert etwas an eine dieser Weihnachtsfolgen von Fernsehserien: Sie machen insbesondere den Fans, die die ganzen Anspielungen verstehen und die Figuren kennen, einen Heidenspaß, haben aber kaum Auswirkungen auf den Status Quo. Genauso ist es mit „Der törichte Engel“. Es macht einfach Freude, Theo und Molly, Gabe Fenton und Valerie Riordan oder auch Mavis Head wiederzutreffen. Tucker Chase und Raziel fügen sich nahtlos in den alltäglichen Irrsinn in Pine Cove ein. Allerdings scheint es keine gravierenden Änderungen zu geben, und ob sich jemand von unseren Gästen dauerhaft in Pine Cove niederlassen wird, müssen weitere Romane zeigen.
Man muß „Der törichte Engel“ nicht gelesen haben, um die anderen Bücher von Christopher Moore zu verstehen. Das soll aber keine Entschuldigung sein, das Buch nicht zu lesen. Gerade wer mit der alljährlichen Flut von weihnachtlich inspirierten Büchern in den Buchhandlungen nur begrenzt etwas anfangen kann, für den könnte „Der törichte Engel“ eine erfrischende Abwechslung sein. Schließlich enthält der Roman nicht nur eine größere Anzahl von Kraftausdrücken, sondern auch „geschmackvolle Beschreibungen von Kannibalismus“, wie der Autor gleich zu Beginn warnt. Und Sex von Menschen, die schon über 40 sind, gibt es auch noch. Die üblichen Weihnachtsklischees werden kräftig gegen den Strich gebürstet, und der Leser hat seinen Spaß dabei. Dieser Spaß dürfte um so größer sein, wenn „Der törichte Engel“ nicht der erste Moore-Roman ist, der im heimischen Bücherregal steht. Und das wiederum soll eine Entschuldigung dafür sein, in die vorherigen Werke des Autors zumindest mal reinzuschnuppern. Aber Vorsicht, eine abrupte Vermehrung der Lachfalten ist sehr wahrscheinlich.
Die deutsche Ausgabe entspricht übrigens gewissermaßen der Version 1.0 des Buches. In den USA ist mitterweile „The Stupidiest Angel Version 2.0“ mit einem zusätzlichen Kapitel erschienen. Ob es diese Fassung auch auf Deutsch geben wird, ist nicht bekannt.
Fazit:
Das ideale Weihnachtsgeschenk für Fans von Christopher Moore. Wir feiern ein Wiedersehen mit einer ganzen Reihe von Figuren aus früheren Romanen, nicht nur aus Pine Cove. Die üblichen Weihnachtsgeschichten mal ganz anders und ordentlich gegen den Strich gebürstet. Moore-Neulingen sei empfohlen, vor „Der törichte Engel“ den einen oder anderen der früheren Romane des Autors einzuschieben.
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Christopher Moore
Der törichte Engel
The Stupidiest Angel
Übersetzer: Jörn Ingwersen
Erscheinungsjahr: 2004
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Goldmann Verlag
Preis: € 7,95
ISBN: 3-442-54224-3
352 Seiten
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