Der Zeitdieb
Story:
Sie sind keine Lebewesen, eher das Gegenteil davon. Sie beobachten die Scheibenwelt, messen, analysieren und protokollieren. Aber eines stört die Arbeit der Revisoren immer wieder: Die Menschen. Mit ihren merkwürdigen, unvorhersagbaren Eigenheiten wie Fantasie, Hoffnung oder Mitgefühl bringen sie ständig alles durcheinander. Also fassen die Revisoren einen Plan, wie sie die verhaßten Veränderungen endgültig loswerden können. Dazu geben sie inkognito bei einem, nun, etwas zu geistig gesunden Uhrmacher in Ankh Morpork eine ganz besondere Uhr in Auftrag. Diese gläserne Uhr soll die Zeit nicht messen, sie soll sie... anhalten. Denn ohne Zeit keine Veränderungen.
Aber der Bau der Uhr bleibt nicht unbemerkt. Die Geschichtsmönche, die sich in einem verborgenen Tal um Zusammenhalt und Struktur von Zeit und Geschichte kümmern, schicken den Kehrer Lu-Tze und dessen jungen Schüler Lobesang in die Stadt. Die beiden sollen verhindern, daß der Scheibenwelt wortwörtlich das letzte Stündlein schlägt. TOD (genau, DER IN GROSSBUCHSTABEN SPRICHT) trommelt nicht nur die Apokalyptischen Reiter zusammen – immerhin steht das Ende aller Zeiten bevor -, sondern reißt auch seine Enkelin Susanne aus ihrem Lehrerinnen-Alltag. Und auch in den Reihen der Revisoren beginnen sich Zweifel zu regen. Aber wird es gelingen, den Plan der Revisoren zu vereiteln?
Meinung:
Die schon legendäre Romanserie über die Scheibenwelt und ihre skurril-sympathischen Bewohner hat schon viele Glanzstücke erlebt. Leider ist "Der Zeitdieb" keines davon. Die ersten zwei Drittel des Buches tröpfelt die Geschichte eher dahin, und nur manchmal läßt Pratchett seine Genialität aufblitzen. Szenen wie Lady LeJeans Auseinandersetzung mit ihrem neuen, ungewohnten Körper oder Susannes Auftritte als Lehrerin hätte das Buch mehr vertragen können. Stattdessen bleibt insbesondere der Kehrer Lu-Tze ziemlich zweidimensional, und auch sein Schüler Lobesang findet erst spät aus der Klischee-Rolle ("Der Schüler hinter dem mehr steckt als es zunächst scheint") heraus. Und die Fans bestimmter US-TV-Serien dürfte bei der Charakterisierung der Revisoren manches an ein gewisses Cyborg-Volk erinnern.
Trotzdem mangelt es nicht an den von Terry Pratchett gewohnten skurrilen Einfällen und Figuren. Der alte Abt im Kloster der Geschichtsmönche schlägt sich mit ganz besonderen Problemen der Wiedergeburt herum und braucht regelmäßig frische Windeln und will Keks einen Laufstall. Die Apokalyptischen Reiter sind nicht unbedingt begeistert, als Tod sie zum Ritt auffordert – und wieviele von ihnen gibt es überhaupt? Und dann ist da noch die Zeit höchstpersönlich. Denn wenn Tod in Susanne eine Enkelin haben kann, dann kann natürlich auch... Aber das wäre zuviel verraten, ebenso wie die Antwort auf die Frage, womit man Revisoren in menschlichen Körpern am besten bekämpft.
Wie immer nimmt Pratchett auch in „Der Zeitdieb“ ein Thema satirisch ganz besonders aufs Korn. Diesmal ist es die Bürokratie beziehungsweise Menschen, die nur Dinge mögen, die sie analysieren, rational verstehen und in Schubladen einordnen können. Für solche Wesen sind Phänomene wie Liebe, Fantasie oder Glaube natürlich ein Graus. Und wie schon in früheren Scheibenwelt-Geschichten macht sich der Autor auch über Fanatismus und Dogmatismus lustig.
Für Fans der Scheibenwelt ist "Der Zeitdieb" so oder so ein Muß. Aber wer schon immer wissen wollte, was es mit dem Hype um Pratchetts Bücher auf sich hat, sollte nicht unbedingt diesen Roman als Einstieg in die Serie wählen. Trotzdem, für einen entspannten Tag am Strand eignet er sich allemal. Schließlich ist auch ein schwächerer Pratchett immer noch besser als vieles, was nach den Erfolgen von ihm und Douglas Adams an "Komischer Fantasy" in die Buchhandlungen gespült wurde.
Fazit:
Einer der schwächeren Bände in der Scheibenwelt-Serie. Einsteiger sollten eher zu einem der anderen Romane greifen und sich den "Zeitdieb" für den nächsten Tag am Strand aufheben. Scheibenwelt-Fans kommen aber allemal auf ihre Kosten.
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