20.000 Meilen unter den Meeren
Story:
Nachdem sich Berichte von Seereisenden über ein mysteriöses Unterwasserwesen häufen, macht sich eine Fregatte der amerikanischen Marine im Jahre 1867 auf die Suche danach. Es stellt sich heraus, dass es sich bei dem zunächst als Narwal vermuteten Objekt um ein gigantisches Unterseeboot handelt, welches die Fregatte kurz darauf versenkt. Doch ein französischer Meeresbiologe und zwei weitere Passagiere überleben und werden von der Besatzung der "Nautilus" (so der Name des U-Bootes) an Bord geholt...
Meinung:
Die Geschichte von "20.000 Meilen unter den Meeren" dürfte wohl so gut wie jedem bekannt sein - spätestens seit den zahlreichen Verfilmungen des Stoffes. Kein Wunder, ist die Story an sich auch überaus faszinierend: Ein Kapitän, der aus unbekannten Gründen mit dem Rest der Menschheit gebrochen hat, erschafft in Eigenregie ein unglaubliches Unterseebot gigantischer Ausmaße, mit dem es ihm möglich ist, völlig abgeschottet und unabhängig die Meere zu durchkreuzen. Geradezu unheimlich ist dabei wieder einmal, wie nah wir heutzutage an Vernes Visionen bereits herangekommen sind. U-Boote haben längst die Qualität der Nautilus (wenngleich die Inneneinrichtungen deutlich spartanischer sein dürften als bei dem luxuriös möblierten Unterwasserriesen), die Meere sind - auch wenn sie noch immer viele Geheimnisse bergen - weit erforscht. Doch leider wird Verne gerade diese Tatsache in unserer heutigen Zeit zum Verhängnis. Der Roman ist in einem Zeitalter entstanden, in dem außer den Forschern so gut wie niemandem etwas über das Meer bekannt war und so ist es nicht verwunderlich, dass Verne zur Veranschanschaulichung für die "Laien" anscheinend sein gesamtes Wissen in die Geschichte mit einbringen wollte. Für die heutige Generation, die mit Sendungen von Cousteau aufgewachsen ist und fast täglich das Meer in irgendeiner Form auf dem Bildschirm hat, wird das Buch dadurch furchtbar langweilig. Verne lässt sich seitenlang über Gestalt, Form, Essbarkeit, etc. sämtlicher Meeresbewohner aus, geht auf jedes Naturphänomen ein und beschreibt jede klitzekleine Strömung bis ins winzigste Detail. Und das nicht nur einmal am Anfang oder zwischendrin, sondern immer und immer wieder. Fast jeder Tagesbericht besteht zu einem Gutteil aus Buchführung über die aktuellen Fischfänge und den gerade verwendeten Speiseplan. Das nervt! Denn dadurch kommt die eigentliche Handlung, die im Grunde genommen wirklich spannend ist, völlig zu kurz und wird ständig unterbrochen. Die richtig guten Szenen, nämlich die eigentlichen Abenteuer von Professor Arronax und Kapitän Nemo, sind verhältnismäßig zu selten. Der Lesefluss, der nötig wäre, um von "20.000 Meilen unter den Meeren" richtig mitgerissen zu werden, kommt einfach nicht zustande. So plätschert das Lesen eher vor sich hin und man liest nur weiter, weil man die (durch die Filme hervorgerufene) Hoffnung hat, dass es irgendwann noch interessant wird, bzw. werden muss. Doch dem ist leider nicht so. "20.000 Meilen unter den Meeren" war zur Erscheinungszeit richtungsweisend, visionär und gab den Lesern einen vorher nie dagewesenen Eindruck des Meeres und der Technik. Viele Erfindungen, die mittlerweile unverzichtbar geworden sind, wurden durch den Roman angeregt. Um im Jahre 2005 auch noch in der Lesergunst bestehen zu können, müssten an Vernes Buch allerdings drastische Kürzungen vorgenommen werden. Die rund 630 Seiten könnten sicherlich auf 300 bis 400 reduziert werden, ohne die Handlung merklich zu beeinflussen. Dann dürfte das Buch auch so spannend sein, wie man es nach Sehen der Filme erwartet. Es ist also kein Wunder, dass der Roman heutzutage hauptsächlich in gekürzter oder nacherzählter Form abgedruckt wird. Zur hier rezensierten deutschen Ausgabe muss man noch sagen, dass die Übersetzung von Martin Schoske sehr gelungen und angenehm zu lesen ist. Die Story wird dadurch aber auch nicht besser...
Fazit:
Ich sage es zwar nicht gerne, aber wenn man sich die Illusion einer spannenden Geschichte nicht nehmen will, sollte man lieber bei den Filmen bleiben. Denn in diesem Fall ist das Buch wirklich sehr viel uninteressanter als seine Verfilmungen. Fans von Jules Verne werden bei diesem Klassiker natürlich trotzdem zugreifen.
|