Ein Diktator zum Dessert
Story:
Die 105jährige Rose lebt in Marseille und führt dort ihr eigenes Restaurant "La petite provence". Ein Brief veranlasst sie dazu, ihre Memoiren zu schreiben. Die ersten sieben Jahre wohnt sie mit ihrer Familie in Armenien und überlebt den Genozid an den Armeniern 1915/16. Sie flieht und kommt nach Frankreich. Später ist sie in die Verwicklungen des zweiten Weltkriegs als Köchin von Himmler ebenso involviert, wie in die Mao-Regierung in China und wird dabei zu einer guten Freundin von Simone de Beauvoir.
Meinung:
Wenn man, wie Rose, ein ganzes Jahrhundert erlebt hat, kann man die ein oder andere Geschichte erzählen. Genau das tut diese fiktive 105jährige Köchin in dem Roman von Franz-Olivier Giesbert. Sie erzählt ihre Wahrnehmung und wie sie es geschafft hat zu überleben. Vom Völkermord der Armenier, bei dem ihre Geschwister und Eltern sterben, das systematische Töten der Juden im dritten Reich, bei der unter anderem ihr erster Mann und ihre Kinder starben und der Mao-Regierung ihn China, der ihr dritter Mann zum Opfer fiel.
Der Autor wurde am 18.Januar 1949 in den USA geboren und lebt seit seinem dritten Lebensjahr in Frankreich. Dort arbeitet er als Journalist und ist Chefredakteur des Wochenmagazin "le point" (ähnlich dem amerikanischen "Time magazine"). Seit 1977 schreibt er regelmäßig Romane und Biographien, für die er bereits mehrfach ausgezeichnet wurde.
Das Buch ist sehr leicht und flüssig zu lesen und imponiert durch seine wunderschöne, bildhafte Sprache, welche an manchen Stellen leider etwas vulgär wird. Durch seine Worte schafft es der Autor auf jeden Fall den Leser für die französische, vor allem die provenzalische Küche zu begeistern. Ein Highlight sind die Rezepte, welche als Anhang abgedruckt wurden. Außerdem beschreibt der Roman eine bejahende Aussage für das Leben. Gleich am Anfang wird deutlich, dass die Hauptperson vor allem die positiven Seiten sieht und nicht die dunklen. Nach Ansicht von Rose trägt diese Ansicht sehr zu ihrem Überlebenstrieb bei.
Der Hauptcharakter Rose ist ehrlich, menschlich und unnahbar. Dabei wird sie dem Leser nicht wirklich sympathisch. Sie handelt streng nach ihren eigenen Prinzipien und ist von einem unstillbaren Lebenswillen geprägt, der sie über die schrecklichsten Geschehnisse hinwegkommen lässt. Dadurch wirkt sie oft etwas gefühlslos, auch wenn der Autor beschreibt, dass sie tagelang weint. Schon als sie als 8jährige, nach der Ermordung ihrer Familie, regelmäßig missbraucht wird, scheint sie keine großen psychischen Probleme davon zu tragen. Der Leser verliert daraufhin die Verbindung zur Protagonistin. Diese wirkt wie eine Reporterin, die häufig weder ihr eigenes Verhalten noch das der anderen wertet.
Es wird durchaus deutlich, dass der Autor eine Person zu erschaffen versucht, die anders ist, da sie sich nicht an gesellschaftliche Gepflogenheiten hält. Dies wirkt aber häufig eher abstrus.
Die Gegenspielerin und das Gewissen von Rose werden durch ihre Salamanderdame "Theo" gebildet. Mit ihr redet der Hauptcharakter ausführlich über persönliche und weltpolitische Probleme. Theo spricht das aus, was der Leser Rose gerne sagen würde.
Die Nebengeschichte um einen Brief, welchen Rose am Anfang des Buches zugesandt bekommt, beginnt sehr vielversprechend. Im Laufe des Romans, steigert sich die Spannung, denn er scheint von einem Kapitel in ihrem Leben zu handeln, vom dem sie selber nichts weiß. Leider schafft der Autor es nicht, den Spannungsbogen bis zum Ende zu halten und auch der Ausgang der Geschichte ist wenig überraschend
Aufgrund der Thematik drängt sich der Vergleich mit einem anderen Buch auf. "Der Hundertjährige der aus dem Fenster stieg und verschwand.", von Jonas Jonasson. Im Gegensatz zu diesem Buch schafft Giesbert es hier allerdings nicht einen Charakter zu schaffen, für den der Leser Sympathien hegt, noch eine spannende Rahmengeschichte zu schreiben.
Fazit:
Zusammenfassend ist es ein nettes Buch, welches gut und zügig im Urlaub am Strand zu lesen ist. Leider ist es nicht sehr informativ, da der Autor keine Hintergrundinformationen über die Ereignisse in den Text einfließen lässt. Allerdings gibt es hinten ein Stichwortverzeichnis für die wichtigsten Fakten. Die Hauptprotagonistin ist weder sympathisch noch agiert sie nachvollziehbar. Dennoch möchte man als Leser gerne das nächste Kapitel lesen, denn die Wendungen in Roses Leben sind selten vorhersehbar.
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