Die Damen der Geschichte: 12 Dark Fantasy Geschichten mit historischem Hintergrund
Story:
Kürzlich erst habe ich die Kurzgeschichten-Anthologie "Steampunk Akte Deutschland" des Art Skript Phantastik Verlags besprechend dürfen. "Die Damen der Geschichte" aus dem gleichen Hause ist ein ganz ähnliches Projekt. Allerdings liegt der Fokus des vorliegenden Bandes auf Geschichten, deren Hauptakteure weibliche historische Persönlichkeiten sind. Da meist die Mächtigen Geschichte schrieben reicht das Spektrum von Queen Elizabeth über Madame Pompadoure bis hin zu Lucrezia Borgia. Um dem ganzen noch einen Hauch Phantastik zu verleihen, konzentriert sich das Buch auf die Spekulationen darüber, wie und ob diese Figuren mit geheimen Mächten im Bunde standen oder sie sogar selbst verkörperten und erzählt deren Geschichten dann eben etwas anders, als man sie vielleicht schon kennt.
Da die Titel der Kurzgeschichten in der Regel wenig darüber verraten, um wen es geht, ist die reale Person die als Vorbild diente, immer gleich mitgenannt und falls das Allgemeinwissen an der einen oder anderen Stelle zu versagen droht, steht deren Titel beziehungsweise Beruf direkt daneben. Ich wusste beispielsweise nicht wer Ada Lovelace war. In der Riege dieser weiblichen Promis gibt es nun also Vampire, Hexen, lebendig gewordene Alpträume und einiges mehr. Jede der 12 Geschichten präsentiert sich in einem sehr individuellen Stil, da kein Autor/keine Autorin zweimal vertreten ist.
Apropos Stil: Die Herausgeberin und Gründerin des Art Skript Phantastik Verlags, Grit Richter, hat was das Cover und die gesamte Gestaltung angeht, wieder ganze Arbeit geleistet. Die gelernte Grafikdesignerin investiert sich in die Optik der Anthologien stets mit ganzer Kraft. Ein kleiner Wermutstropfen bleibt diesmal allerdings: In meiner Ausgabe stimmte das Inhaltsverzeichnis nicht einmal grob mit den tatsächlichen Seitenzahlen überein. Ein super Ansatzpunkt für eine zweite Auflage.
Meinung:
Einigen Autoren ist das Verweben von Fakt und Fiktion auf den wenigen Seiten so gut gelungen, dass ein leiser Zweifel bleiben könnte, ob nicht wirklich manches etwas anders abgelaufen ist, als die Geschichtsbücher es darstellen. Zumindest wenn man für Übersinnliches per se offen ist…
Besonders gute Geschichten
Das nicht alle Geschichten so einer Anthologie den Geschmack eines einzelnen Leser treffen können liegt auf der Hand. Bei mir lag es bei den "weniger guten" Geschichten in erster Linie daran, dass zu viel Symbolismus und Verborgenes Wahrgenommen werden wollte oder schlichtweg nichts passierte was richtig spannend war. So zeigt beispielsweise die Geschichte "Herrschaftsblut", bei der es um die Hinrichtung von Maria Stuart (Königin von Schottland) geht, nahezu keine fantastischen Elemente oder einen Spannungsbogen. In anderen Fällen bleiben die Hauptcharaktere farblos, was natürlich gerade bei Kurzgeschichten eine große Gefahr bzw. Herausforderung darstellt.
Einige der Geschichten, die für mich besonders positiv aus der Anthologie herausstachen, möchte ich hier gerne in aller Kürze vorstellen:
Sabrina Zelezny: Du aus dem Schatten der Kaktusblüte - Malinche, Dolmetscherin
Die spanischen Konquistadoren unter Cortez haben keine Grausamkeit gescheut, um Gold der alteingesessenen Indianervölker anzuhäufen und brachten schließlich auch den mächtigen Montezuma in Gefangenschaft. Eine weniger besungene Figur dieser Geschichte stellt die Dolmetscherin Malinche dar. Die "Zungentänzerin" steht zwischen den Stühlen und gebietet über mehr Macht als es ihr Cortez zutraut. Um Montezuma zu unterstützen, bittet sie alte Mächte um Hilfe gegen die Spanier und muss zusehen, wie alles nur noch schlimmer wird. Die mythische Stimmung in dieser Geschichte bleibt im Buch unübertroffen.
Andre Bienek: Wenn ich sprechen könnte - Anna von Österreich
Kunstvoll und eindringlich schildert die Autorin aus der Sicht eines Vogels (ein geschätztes Haustier der Königin) wie Anna in immer tiefere Verzweiflung stürzt, da sie ihrem Mann keinen Stammhalter schenken kann. Soweit, dass sie schließlich einen Pakt mit dem Bösen eingeht, nur um einen Erben zu haben. Doch alles geht schrecklich schief. Der Vogel beobachtet und zieht seine eigenen Schlüsse, ist jedoch dazu verdammt nicht eingreifen zu können.
Markus Cremer: Die Engel der Krim - Florence Nightingale (Begründerin der modernen Krankenpflege)
In dieser Geschichte geht es richtig zur Sache. Es wird geschossen, verbrannt und die Antagonisten sind eklige düstere Ghule. Was würde besser an einen schrecklichen Ort und Zeitpunkt wie den Krimkrieg passen? Die Protagonistin ist eine anpackende, selbstbewusste Dame, die schon in ihrer realen Fassung einschüchternd auf ihre gesamte Umwelt gewirkt haben muss. Der Autor verleiht der Figur eine neue Facette und sticht positiv aus dem Fantasy-Einerlei aus Vampiren, Hexen und Werwölfen hervor. Besonders das Ende ist tragisch, gruselig.
Fazit:
Alles in allem erreicht die Anthologie nicht die Qualität der Steampunk Akte Deutschland aus dem gleichen Hause, weiß aber dennoch zu gefallen. Obwohl einige der Geschichten nicht richtig mitzureißen wissen, sind dennoch genug dabei, die unter die Haut gehen und mich zur Recherche über einige interessante Persönlichkeiten einladen, über die ich bis dato viel zu wenig wusste.
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