Der Plötzliche Kollaps Von Allem
Story:
In unserer Welt nehmen Vernetzung und der Aufbau von Abhängigkeiten immer ernstere Züge an. Es gibt keinen Weg mehr zurück, der Mensch wird im Strudel immer schneller stattfindender Ereignisse mitgerissen. Und je komplizierter die sich auf einander beziehenden Strukturen werden, desto anfälliger sind sie für Krisen. Extreme Ereignisse, die langfristig aber auch völlig unerwartet eintreten können, sind in der Lage, Auswirkungen auf das Leben der gesamten menschlichen Zivilisation zu haben. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieses Extreme Ereignis ein entkommener, hoch ansteckender Virus, eine Finanzkrise, der Ausfall des Internets oder intelligente Roboter sind, die die Menschheit versklaven. Der Komplexitätsforscher John Casti wirft einen wissenschaftlichen Blick auf ein Thema, das tagtäglich unser Interesse auf sich zieht: Das Ende des Menschen und wann, beziehungsweise wie wahrscheinlich es eintritt.
Meinung:
Der Autor John L. Casti ist ein 1943 in Portland / Oregon geborener, promovierter Mathematiker. Er arbeitete von 1974-1986 in Wien im Forschungsstab des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse und ist seit 1986 Professor für Operations Research. Sein Arbeitsbereich ist die Analyse von Ereignissen und Systemen unter Zuhilfenahme von mathematischen Begebenheiten und Berechnungen. Mithilfe seiner analytischen Fertigkeiten und seiner Praxiserfahrung analysierte er verschiedenste Szenarien zum Thema des Untergangs der menschlichen Zivilisation.
Nimmt man "Der Plötzliche Kollaps Von Allem" zur Hand, stellt man sich zuallererst die Frage, ob es sich überhaupt lohnt, ein Buch wie dieses eines genaueren Blickes zu würdigen: Eine dick gedruckte, reißerische Überschrift wie man sie eher auf Büchern erwartet, die schlecht recherchiert und noch viel schlechter geschrieben, die Sensationsgeilheit des einfachen Teilzeitleser bedienen sollen. Auch ist die Thematik nicht wirklich neu und seit 2012 und den darum kreisenden Weltuntergangsszenarien auch nur noch als aufdringlich zu bewerten. Still schwebt über jedem dieser gleichartigen Beiträge das Wort: Wissenschaftspopulismus. Warum also das Buch von John Casti lesen? Diese Frage lässt sich nach 96 Seiten überzeugend erklären: Der Autor ist alles andere als ein uninformierter Schmierfink, der einen Abklatsch bereits erschienener Werke kopiert, denn zu Allererst wird der Leser mehr oder weniger einfach verständlich in die Problematik komplexer Ereignisse eingeführt. Dabei wird das Augenmerk auf den Unterschied zwischen vorhersehbaren und überraschenden Events gelegt und in wie weit es mit Hilfe rationaler Erkenntnisse möglich ist, die Wahrscheinlichkeit eines eintretenden Ereignisses zu beurteilen.
Tatsächlich sind die ersten 96 Seiten sehr sachlich gehalten und wahrscheinlich für jeden Leser besonders interessant zu lesen. Allein die Ausdehnung der fachlichen Grundlage zeigt deutlich, dass der Anspruch des Buches nicht die schnelle Information oder Unterhaltung ist. Wer sich jedoch auf das Thema einlässt und sich genauer damit zu beschäftigen gedenkt, für den sind die ersten Seiten eine sehr interessante Einführung.
Den entscheidenden Teil des Buches macht jedoch die spezielle Fallbetrachtung aus: 11 Entwicklungen und Ereignisse wurden von Casti für wahrscheinlich oder besonders desaströs erachtet: Der Zusammenbruch der weltweiten Nahrungsmittelversorgung, der Zusammenbruch der Elektrotechnik, das Ende der Globalisierung, der ausgedehnte Ausfall des Internets und Pandemien die die Menschheit ausrotten: Casti erklärt für jeden Fall, warum er die Thematik als besonders gefährlich oder wahrscheinlich erachtet. Dabei bezieht er sich auf soziale, ökonomische aber auch kulturelle Aspekte. Er vermeidet also in seiner Betrachtung, was keine Selbstverständlichkeit ist, Mehrdimensionalität. Dadurch gelingt es dem Autoren, den wildesten Zukunftsphantasien zumindest eine logische Grundlage zu verpassen. Und tatsächlich wird einem Angst und Bange, folgt man der Argumentation und lässt sich auf dieses Gedankenspiel ein.
So etwa am Beispiel des Zusammenbruchs der globalen Lebensmittelversorgung: Um die Thematik einzuführen zeigt Casti auf, welche negativen Entwicklungen sich bereits vollzogen haben, oder gerade im Begriff sind, sich zu verstärken. Damit gibt er dem Problem eine Konsolidierung in der Gegenwart, wodurch die Eskalation als mögliche (und unangenehm nahe) Möglichkeit erscheint. Danach analysiert er die Verwobenheit der globalen Versorgung und die Anfälligkeit, die z.B durch Monokulturen und Pestizide entsteht. Daraufhin werden historische Beispiele erläutert, um zu verdeutlichen, wie gefährlich diese Entwicklungen für die Zukunft sein können und dass es schon Fälle in der Geschichte gegeben hat, in denen ähnliche Katastrophen bereits eingetreten sind. Er erweitert auch die Perspektive des Lesers für die Thematik, in dem er nicht nur die bereits offensichtlichen Missstände anspricht, sondern auch Faktoren berücksichtigt, die unerkannt einen ebenso großen Einfluss haben können, wie in diesem Fall etwa die Population der Bienen.
Nach diesem Schema behandelt er jede der von ihm "X-Events" genannten möglichen Ereignisse. Am Ende zieht er ein Fazit, in dem er relativiert und den Horrorvisionen partiell die Luft aus den Segeln nimmt, beziehungsweise feststellt, dass eine Bedrohung auch immer die Chance auf eine Verbesserung oder einen Neuanfang beinhaltet.
Fazit:
"Der Plötzliche Kollaps Von Allem" ist ein interessantes Buch für all jene, die sich für das morbide Thema des "Weltuntergangs" interessieren, aber vor den endlosen Reihen von geistlosem Populismus zurückschrecken. Der Band ist eine gute Gelegenheit um inne zu Halten und kurz die eigenen Abhängigkeiten zu hinterfragen. Die Frage: "Was wäre wenn?" thront über allem und der Mensch neigt zu Gedankenspielen. Jene werden in diesem Buch auf eine seriöse Weise betrieben und Hintergründe für die Entwicklungen dieser Dramaturgie des Untergangs gelegt. Vielleicht wirkt Casti an einigen Stellen etwas zu langatmig, bildet jedoch einen für den Geist erfrischenden Gegenpol zur grassierenden Sensationshascherei, auch wenn auf einige Elemente, wie das Layout des Buches, auf Grund ökonomischer Überlegungen, nicht verzichtet wurde.
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