Kathryn Swinnbrooke 01: Die Heilerin von Canterbury
Story:
England, um 1471. In Canterbury werden Pilger, die am Grab des Heiligen Thomas Becket beten, ermordet. Die Ärztin Kathryn Swinnbrooke und der königliche Bote Colum Murtagh müssen den Schuldigen finden, bevor sich die Untaten herumsprechen und die zahlungskräftigen Pilger verschrecken. Aber das ist leichter gesagt als getan, zumal beide noch ihre ganz eigenen Geheimnisse haben.
Meinung:
Es müssen keine angenehmen Zeiten gewesen sein im England des späten 15. Jahrhunderts. Die adligen Häuser der Yorks und der Lancasters haben das Land in einen blutigen Bürgerkrieg, die sogenannten Rosenkriege, gestürzt, in denen nicht einmal mehr das alte Recht des Kirchenasyls geachtet wird. Gerade hat Edward von York zumindest vorläufig die Oberhand gewonnen, sich als Edward IV. auf den englischen Thron gesetzt und sucht nun seine Herrschaft zu konsolidieren. Das sind keine gute Nachrichten für die Stadt Canterbury, deren Bürgermeister und viele hochrangige Bürger sich der Sache der Lancasters verschrieben hatten.
Hinzu kommt, dass seit einiger Zeit Pilger, die das Grab von Thomas Becket besuchen, vergiftet werden. Jeder Mord wird mit einem Knittelvers, angelehnt an Zeilen von Chaucer, am Tor der Kathedrale angekündigt. Wenn sich herumsprechen sollte, dass die zahlungskräftigen Besucher der Stadt ihres Lebens nicht mehr sicher sein können, könnte das Canterbury wirtschaftlich den Hals brechen.
Also setzen der Stadtrat, der Erzbischof und Colum Murtagh, den der neue König eigens zur Klärung dieser Angelegenheit nach Canterbury geschickt hat, alles daran, den Mörder aufzuhalten. Sie versichern sich dazu der Hilfe von Kathryn Swinnbrooke, einer Ärztin und Apothekerin. Aber alles weist darauf hin, dass der Täter selbst ein Heilkundiger ist, und die gehören zu den angesehen und mächtigen Bürgern der Stadt. Außerdem haben sowohl Colum als auch Kathryn beide ihre ganz eigenen Geheimnisse.
Celia L. Grace hat den ersten Band mit den Abenteuern ihrer "Heilerin von Canterbury" im positiven Sinne routiniert aufgebaut. Das ist nicht überraschend wenn man weiß, dass es sich bei diesem Namen um ein weiteres Pseudonym von Paul C. Doherty handelt. Einige der Abenteuer von Bruder Athelstan und dem Coroner Sir John Cranston, die Doherty unter dem Namen "Paul Harding" schrieb, wurden hier bereits vorgestellt. Darüber hinaus hat der Brite eine Vielzahl von Geschichten in den verschiedesten Epochen spielen lassen.
In dieser Reihe nun nimmt Doherty gewissermaßen die weibliche Perspektive ein. Zunächst lassen einige Details im Prolog vermuten, er würde es dabei übertreiben und einen "Nackenbeißer" im Gewand eines historischen Krimis schreiben. Aber die Schilderung von Colum als feuchtem Traum einsamer Hausfrauen bleibt ein Ausrutscher, und im Folgenden bekommt der Leser einen soliden Roman geboten.
Die Zeichnung der Figuren ist gut gelungen. Positiv fällt insbesondere auf, dass sich die Beziehung der beiden Protagonisten zueinander weiterentwickelt. Kathryn und Colum sind nicht von der ersten Minute an Freunde, tatsächlich können sie sich zunächst eher nicht leiden. Im Laufe des Romans tauen beide dann merklich auf. Auch die anderen Charaktere zeichnet Grace rund und psychologisch nachvollziehbar. Dazu gehört interessanterweise auch der Mörder, dessen Gedanken und Beweggründe dem Leser von einem frühen Zeitpunkt an präsentiert werden - natürlich ohne zunächst zu verraten, wer sich dahinter verbirgt.
Der Kriminalfall bietet, insbesondere für erfahrene Fans historischer Kriminalromane, zwar keine spektakulären Neuerungen, fällt aber auch nicht negativ auf. Die am Ende präsentierte Lösung ist angemessen. Die historische Einbindung ist ordentlich, dem interessierten Laien fallen keine groben Schnitzer auf. Das betrifft auch die Gedankenwelt der Figuren. Sie wirken tatsächlich wie Menschen des späten 15. Jahrhunderts. Positiv fällt auf, dass Grace eigens eine kurze Vorbemerkung darauf verwendet, dass es - entgegen manch landläufiger Annahme - damals tatsächlich weibliche Heilkundige gab, darunter auch durchaus berühmte und angesehene.
Die historische Authenzität hat aber auch ihre Nachteile: Für sehr junge oder sehr empfindliche Leser ist der Roman nicht geeignet. Dafür wird zu selbstverständlich, zu gedankenlos Blut vergossen; dafür sind nicht viele, aber doch eine Reihe von Szenen zu brutal. Erwähnt seien nur der Überfall der Straßenräuber oder der Klimax am Ende.
Insgesamt merkt man der "Heilerin von Canterbury" an, dass der Roman als Auftakt einer Serie gedacht ist. Eine Anzahl an Nebenfiguren wird in Stellung gebracht, und es gibt nicht die ganz großen Spannungsbögen und Sensationen. Schließlich will Grace nicht schon das gesamte Pulver im ersten Band verschießen. Trotzdem ist die Geschichte durchaus spannend, und gerade die allmähliche Annäherung der Protagonisten macht Spaß zu lesen. Eigentlich ist "Die Heilerin von Canterbury" ideal, um den Roman mal zwischendurch zu lesen. Eine Bewertung als "Für Zwischendurch" würde dem Buch aber nicht gerecht, vor allem weil man die Erfahrung und positive Routine der Autorin (bzw. des Autors) spürt. Deshalb sei ein "Reinschauen" empfohlen.
Fazit:
Paul C. Doherty startet hier unter einem neuen Pseudonym eine neue Reihe. Das erste Abenteuer der "Heilerin von Canterbury" ist ein solider historischer Kriminalroman, der keine sprichwörtlichen Bäume ausreißt, aber bei dem sich der routinierte Autor auch keine nennenswerte Blöße gibt.
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