Sex und der Vatikan: Ein Bericht über die verborgenen Seiten der Kirche
Story:
Es gibt eine Parallelwelt im Vatikan: Hier können sich Mitglieder der katholischen Kirche ungehemmt ihren sexuellen Neigungen widmen. Doch niemand darf davon erfahren.
Meinung:
Seit Franziskus Papst wurde, weht ein frischer Wind durch den Vatikan. Viele Problembereiche wurden in Angriff genommen und es scheint sich auch einiges zu ändern. Doch an einigen Säulen der Kirche rüttelt selbst das oberste Oberhaupt nicht: Dem Zölibat. Carmelo Abbate beschreibt in seinem Buch "Sex und der Vatikan" wieso auch dort großer Reformbedarf besteht.
Der Autor wurde in Castelbuono geboren. Er arbeitet bei der Wochenzeitung "Panorama", wo er als Enthüllungsjournalist tätig ist. Seine Spezialität ist es, sich undercover in soziale Brennpunkte Italiens zu begeben. So gab er sich einst als Arzt aus und konnte so einen Blick hinter die verschlossenen Türen der süditalienischen Krankenhäuser werfen, um so die desaströse Gesundheitsversorgung vor Ort zu dokumentieren.
Es ist schon längst kein Geheimnis mehr, dass im Vatikan vieles im Argen liegt. Das haben vor allem die vielen Missbrauchsfälle der letzten Jahre bewiesen. Doch Carmelo Abbate verspricht mehr. Er verspricht sozusagen Details, Dinge, die man bisher noch nicht kannte und wusste.
Und so begab er sich undercover in die Schwulenszene Roms. Er nahm Kontakt auf und erlebte mit, wie Priester und Nonnen heimlich ihren sexuellen Neigungen nachgehen konnten, ohne dass ihnen Gefahr drohte. Denn man schwieg sich über die Ereignisse in der Nacht immer aus.
Und tatsächlich weiß der Autor durchaus nachdenkliches zu berichten. Er charakterisiert die betroffenen Kirchenmänner- und Frauen als Gefangene des Zölibats, die eben nur heimlich ihre Neigungen ausleben können. Dabei achtet er streng darauf, niemals die wahre Identität der Betroffenen zu nennen. Jede Person, abgesehen seiner selbst, ist anonym oder kriegt einen falschen Namen.
Wären da nicht die Missbrauchsfälle der letzten Jahre, fast könnte man Mitleid mit den Betroffenen haben. Aber auch eben nur fast. Denn gleichzeitig erinnert man sich daran, dass Abbate im Prinzip über nichts neues berichtet. Schon im Mittelalter hielten die Kirchenleute nicht viel vom Zölibat und lebten ihren Sextrieb öffentlich aus. So mancher Papst zeugte auch während seiner Amtszeit diverse Kinder. Diese Sache ist eben nur in den letzten Jahrhunderten mehr und mehr aus dem Blick der Öffentlichkeit verschwunden, bis auf wenige Ausnahmen.
Auch muss man bemängeln, dass es Abbate nicht gelingt, im Laufe des Buches ständig Neues zu berichten. Die Sensation beschränkt sich auf die ersten Kapitel, danach kaut er im Prinzip alles wieder, was er zuvor geschrieben hat. Mit dem Ergebnis, dass man sich beginnt zu langweilen.
Und das trotz der Sensationslüsternen Schreibweise, die der Autor wählt. Stellenweise fühlt man sich einen Bericht aus einem Boulevardmagazin oder ähnliches erinnert. Er berichtet nicht neutral von dem Erlebten, sondern bewertet sozusagen für den Leser selbst vorab die Betroffenen. Das muss nun wirklich nicht sein.
Der Band wird deshalb "Für Zwischendurch" empfohlen.
Fazit:
Carmelo Abbate berichtet in "Sex und der Vatikan" über eine Parallelwelt im Vatikan. Und zu Beginn weiß der Autor auch nachdenkliches zu berichten. Fast könnte man Mitleid mit den Betroffenen haben, wären da nicht die Missbrauchsfälle der letzten Jahre. Gleichzeitig muss man auch bemängeln, dass nach der anfänglichen Aufregung sich die Begeisterung über das Buch legt. Denn im Prinzip wiederholt sich Herr Abbate nur noch. Und die Schreibweise ist zu sensationslüstern, um dauerhaft zu gefallen.
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