Socialdemokraten auf dem Monde
Story:
Es ist der Neujahrsmorgen 1920, als das Raumschiff Excelsior Berlin verlässt. Kaiser Wilhelm II. hat im Weltkrieg England und Frankreich niedergerungen, und nun ist das Reich auf der Suche nach neuen Kolonien. Der geniale Erfinder und mutige Held Graf Oscar von Reventlow ist daher mit seinem Gefährt aufgebrochen, um zunächst den Mond und danach alle weiteren Planeten des Sonnensystems für sein Vaterland in Besitz zu nehmen. Aber was wird von Reventlow, seine Gattin und ihren Diener wohl auf dem Monde erwarten? Unbewohnte Einöde, gefährliche außerirdische Monster oder, man traut es sich kaum zu denken, gar Socialdemokraten?
Meinung:
Ronald M. Hahn ist eines der Urgesteine der deutschen Science Fiction. Autor, Lektor, Übersetzer, Herausgeber, Literaturagent, er hat so ziemlich jede Aufgabe in der Branche schon einmal mit Erfolg übernommen. Das möchte man fast nicht glauben, wenn man dieses Buch liest. Denn über "Socialdemokraten auf dem Monde" gibt es eigentlich nichts Positives zu sagen.
Es ist unübersehbar, dass die Geschichte witzig gemeint ist. Und tatsächlich bietet die Ausgangsidee reichlich Potential für Humor: Das Deutsche Reich hat den Ersten Weltkrieg gewonnen und strebt jetzt neue Ziele an. Ein "deutscher Heros", voller Nationalchauvinismus und Standesdünkel, schraubt mal eben ein Raumschiff zusammen und macht sich an die Eroberung des Sonnensystems, für Kaiser und Vaterland! Aber seiner Mission drohen Gefahren, darunter die gefährlichste aller gefährlichen Gefahren - die rote Gefahr!
Nur leider macht der Autor aus diesem Potential so überhaupt nichts. Das Buch ist einfach nicht im Mindesten witzig. Wo andere Autoren mit feiner Ironie oder auch einem guten Sinn für völligen Blödsinn ein Feuerwerk hätten abbrennen können, ist bei Hahns Humorversuch offenbar das Pulver nass geworden. Natürlich muss man in einer guten Parodie, in einer guten Klamotte (als letztere bezeichnet sich der Roman selbst) übertreiben, aber soweit der Autor die Schraube auch an- und überdreht, lustig will es einfach nicht werden.
Hinzu kommt, dass Hahns Schreibstil sich als eher sperrig erweist. Besonders durch seine Beschreibungen von Landschaften oder Gebäuden muss sich der Leser oft regelrecht hindurcharbeiten. Wohl um zeittypische Atmosphäre zu erzeugen, ersetzt der Autor gerne einmal ein "z" durch ein "c" oder ein "t" durch ein "th". An diesen ungewohnten Schreibweisen liegt es nicht, dass sich heutige Leser mit dem Text schwertun. Es beginnt nach einiger Zeit jedoch einfach zu nerven, wenn die Figuren wieder einmal etwas "thun" oder von einer "Manufactur" die Rede ist. Es erzeugt keine Atmosphäre, es wirkt nur bemüht und lächerlich.
Apropos Figuren, die sind dermaßen platt und überzeichnet, dass auch sie den Roman nicht mehr retten können. Warum sollte sich ein Leser für das Schicksal dieser bestenfalls zweidimensionalen Abziehbilder interessieren? "Socialdemokraten auf dem Monde" ist mit rund 150 Seiten ohnehin eine eher kurze Angelegenheit, aber viele Leser werden den Roman bereits vorher beiseite legen. Man kann es ihnen nicht verdenken.
Von einem Autor, dem der Ruf eines Ronald M. Hahn vorauseilt, hätte man in jedem Fall mehr - man ist versucht zu sagen, überhaupt etwas - erwartet. Der 1948 geborene Hahn veröffentlichte Mitte der 1960er erste Fanfiction-Geschichten. Ab den 1970er Jahren begann er professionell in der deutschen Science Fiction zu arbeiten. Unter anderem war er Herausgeber der SF-Programme bei Fischer oder Ullstein oder Autor für Heftromanserien wie Maddrax. Andere Werke aus seiner Feder sind die zwölfbändige Reihe "T. N. T. Smith" über die Abenteuer eines britischen Journalisten, der in den 1930ern Außerirdischen auf der Spur ist, verfolgt von Agenten Nazideutschlands, oder mehrere neue Abenteuer des "Raumschiff Promet". Als Herausgeber war er einer der Verantwortlichen für "The Magazine of Fantasy and Science Fiction" und Mitbegründer des Magazins "Nova".
Es bleibt also zu hoffen, dass dieser Roman im umfangreichen Schaffen von Roland M. Hahn ein Ausrutscher nach unten ist.
Fazit:
Ein berühmter Name bürgt nicht immer für Qualität: Mit diesem Roman hat sich das Urgestein der deutschen Science Fiction, Ronald M. Hahn, wirklich nicht mit Ruhm besudelt. Es gibt eigentlich nichts Positives über das Buch zu sagen.
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Ronald M. Hahn
Socialdemokraten auf dem Monde
Erscheinungsjahr: 1998
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Heyne Verlag
ISBN: 3-453-13339-0
157 Seiten
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