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Edward

Story:
Irgendwann im Pleistozän, irgendwo in Afrika. Eine Horde Hominiden ist vor gar nicht so langer Zeit von den Bäumen gestiegen und hat den aufrechten Gang erlernt - noch ziemlich wacklig, aber immerhin. Die ungewohnte Ernährung, Fleisch von kleinen Tieren oder Aas aus der Beute der großen Raubkatzen, bringt die an vegetarische Kost gewöhnten Mägen zum Rebellieren.

Aber Edward, dem Anführer der Horde, reichen diese Fortschritte noch lange nicht. Stillstand ist Rückschritt, findet er, insbesondere auf den langen Weg zum Homo sapiens. Also ist er unermüdlich auf der Suche nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten. Doch nicht alles erweist sich als so segensreich, wie er es sich gedacht hatte. Und nicht alle Familienmitglieder sind einverstanden mit dem Weg in die Zukunft, den Edward die Horde entlangpeitscht...

Meinung:
Also wirklich, auf was für Ideen dieser Edward kommt. Ein Stückchen der tobenden Vulkane abzuzweigen, um die Räuber der Nacht auf Distanz zu halten. Dieses "Feuer" gar selbst zu entfachen. Oder außerhalb der Horde zu heiraten, als ob die eigenen Schwestern nicht gut genug wären! Kein Wunder, dass Onkel Wanja sich diesen ganzen neumodischen Ideen strikt verweigert und für "Back to the Trees", "Zurück auf die Bäume", plädiert. Aber Edward lässt sich nicht beirren, und er hat schon die nächsten Ideen in petto.

Das ist natürlich alles in höchstem Maße unhistorisch. Millionen Jahre menschlicher Entwicklung werden mal eben in ein oder zwei Generationen gepresst. Außerdem ist zumindest Edward bewusst, wo die Reise in Richtung Homo sapiens hingegen könnte, hingehen sollte, vielleicht gar hingehen muss. Gleichzeitig ist das, was Roy Lewis seine Vormenschen erleben lässt, ausgesprochen lustig. Beispielsweise hofft Edward, dass niemand aus seiner Familie jemals ein Hipparion zu Gesicht bekommt. Denn wenn diese Pferde-Vorfahren noch immer nicht ausgestorben sein sollten, befindet man sich auf dem Pfad durch das Pleistozän noch längst nicht so weit, wie Edward es geschätzt und gehofft hatte. Der Zeitabschnitt in der Erdgeschichte reicht jedenfalls von vor etwa 2,5 Millionen Jahre bis etwa 9.600 v. Chr. Gefolgt wird das Pleistozän vom Holozän, in dem wir bis heute leben.

Das soll aber nicht heißen, dass "Edward" ganz frei von wissenschaftlichem Hintergrund wäre. Man könnte Lewis Methodik mit dem vergleichen, was einige Gelehrte in einer der Schöpfungsgeschichten der Bibel sehen: Eine erzählerische Ballung eines langen, komplexen Weges. Der vorgebildete Leser merkt nicht nur an der Vielzahl von Fachbegriffen, die wie selbstverständlich eingestreut werden, dass da einer weiß wovon er schreibt.

Tatsächlich hat Roy Lewis im Laufe seiner Karriere auch als Anthropologe gearbeitet, obwohl er eigentlich ausgebildeter Ökonom war. Der nach eigener Aussage in "prähistorischer Zeit", nämlich 1913, in Birmingham geborene Autor erwarb seinen Bachelor of Arts an einem College der University of Oxford und studierte danach an der London School of Economics. Vor allem arbeitete Lewis aber als Journalist. Unter anderem war er zwanzig Jahre lang Korrespondent für The Economist und The Times, beispielsweise in Afrika. Roy Lewis starb 1996.

"What We Did to Father", das bei weitem bekannteste Werk aus seiner Feder, entstand bereits 1960. Mitte der 1990er Jahre erschien eine deutsche Übersetzung unter dem Titel "Edward", in diesem Jahr legt der Unionsverlag eine Neuausgabe vor. Das englische Original erschien im Laufe der Zeit auch unter anderen Titeln, etwa "The Evolution Man".

Unter welchem Namen auch immer, die Geschichte ist einfach witzig. Lewis' Erfahrung als journalistischer Erzähler ist deutlich zu spüren. Nur in einem kurzen Abschnitt im Mittelteil verlässt sich der Autor zu lange auf seine Grundidee, "Edward erfindet Dinge, die für uns heute selbstverständlich sind, und stößt dabei auf Skepsis bis Ablehnung bei seiner Horde", und walzt diese damit etwas zu dünn aus. Aber dann kehrt Onkel Ian von seinen Wanderungen durch die Kontinente zurück, und erzählt, wie es den Vormenschen in Frankreich oder China gerade so geht. Schon hat Lewis wieder in die Spur gefunden und leistet sich bis zum Ende erzählerisch keine Blöße mehr.

Inhaltlich merkt man natürlich an einigen Stellen, dass der Roman die wissenschaftliche Entwicklung der letzten fünf Jahrzehnte nicht mehr berücksichtigt hat. Etwa sind Edward und seine Familie inzwischen im Stammbaum der Hominiden ganz anders einsortieren; man würde sie heute wohl Homo erectus zuordnen. Inzwischen weiß man auch, dass die viel zitierten "Höhlenmenschen" gar nicht in Höhlen lebten. Aber das sind Details, die den Spaß an dieser kleinen Geschichte wenig bis gar nicht schmälern.

Damit ist aber auch schon der wichtigste Kritikpunkt angesprochen: Der Roman ist klein. Das bezieht sich zum einen auf den Umfang, mit unter 200 Seiten hat man keinen dicken Wälzer vor sich. Zum anderen ist auch die Geschichte quantitativ nicht mehr als ein Häppchen für Zwischendurch. Sowohl die Figuren als auch die Handlung bieten eigentlich nichts, woran man sich nach dem Lesen noch lange erinnern oder worüber man nachdenken würde. Man kann einige Stunden amüsanter Lektüre genießen, aber das war es dann auch.

Mit viel gutem Willen könnte man Ansatzpunkte für Diskussionen über die Folgen der modernen Technik, oder über den Gegensatz zwischen der Forschung zum Wohle der gesamten Menschheit oder zum Wohle der eigenen Brieftasche finden. So bringt Edward das Feuer, in Gestalt eines an der Lava eines Vulkans entzündeten Astes, in das Lager seiner Horde. Wie er das gefährliche Mitbringsel im Notfall wieder auskriegen kann, darüber hat noch nicht wirklich nachgedacht. Dem heutigen Leser werden dabei Themen wie Atomkraft (wir bauen mal Kernkraftwerke, wo der Atommüll hin sollen, können wir immer noch später überlegen) oder auch Gentechnik einfallen. Aber dem Roman pädagogische Tendenzen in diese Richtung zu unterstellen wäre wohl zuviel erwartet. "Edward" ist am Ende eben doch "nur" eine lustige Geschichte. Was sie aber leisten kann, ist bei bisher nicht am Thema Vor- und Frühgeschichte der Menschheit interessierten Lesern eben dieses Interesse zu wecken. Und das ist auch schon sehr viel wert.

Fazit:
Roy Lewis hat eine ausgesprochen lustige Geschichte über einen sehr "fortschrittlichen" Vormenschen verfasst. Sein "Edward" wird sicher beim einen oder anderen Leser die Begeisterung für die Vor- und Frühgeschichte des Menschen entfachen, ansonsten kommt der Roman aber nicht über &quto;nur" ein paar Stunden amüsante Lektüre hinaus. Aber das ist doch auch schon eine ganze Menge.

Edward - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Roy Lewis
Edward
What We Did to Father

Übersetzer: Viky Ceballos
Erscheinungsjahr: 2013 (diese Ausgabe)



Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck

Verlag:
Unionsverlag

ISBN:
978-3293004665

192 Seiten
Positiv aufgefallen
  • Einfach witzig, gerade durch die Ahistorizität der Geschichte
  • Der wissenschaftlich korrekte Hintergrund bleibt immer spürbar
Negativ aufgefallen
  • Viel mehr als ein paar amüsante Sunden kommt am Ende nicht rum
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Rezension vom: 12.08.2013
Kategorie: Historisches
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