Stoff-Wechsel
Story:
Die Energiewende, weg von endlichen Rohstoffen wie Öl, Kohle und Uran, hin zu erneuerbaren Energien wie Sonnen- oder Windkraft, ist in aller Munde. Aber wie sieht es auf der "chemischen Seite" aus? Viele Produkte unseres Alltags basieren ebenfalls auf nur endlich vorhandenen Rohstoffen, allen voran das Erdöl. Der Chemiker, Naturschützer und Unternehmer Hermann Fischer plädiert in diesem Buch für den Wechsel zu einer "solaren Chemie" auf Basis regenerativer Rohstoffe.
Meinung:
Soweit es die Energieerzeugung betrifft, haben wir es offenbar begriffen: Auf endliche Rohstoffe zu setzen, geht auch nur eine endliche Zeit gut. Irgendwann sind Öl, Kohle, Gas, Uran und so weiter schlicht aufgebraucht. Die Energiewende ist in aller Munde, auch viele Details noch geklärt werden müssen.
Hermann Fischer will den Blick zusätzlich auf einen Bereich lenken, in dem er eine Wende für nicht weniger nötig hält: Die stoffliche Chemie. Jeder von uns hat tagtäglich mit chemischen Produkten zu tun, da sind Plastik, Körperpflegeprodukte oder Kosmetika nur die augenscheinlichsten Beispiele. Und der weit überwiegende Teil davon basiert auf einem nur endlich verfügbaren Rohmaterial, nämlich Erdöl. Fischer ist der Meinung, dass es auch hier zu einer Wende nicht nur kommen muss, sondern sicher kommen wird. Wie bei der Energie muss auch dieser "Stoff-Wechsel" gesellschaftlich diskutiert und gesteuert werden, damit er gelingt. Dazu will der Autor mit diesem Buch einen Beitrag leisten.
Leider steht diesem lobenswerten Ziel vor allem eines im Wege - Fischers Schreibstil. Der ist weit davon entfernt, mitreißend oder auch nur mitnehmend zu sein. Ein Beispiel sei genannt: Den menschlichen Körper bezeichnet der Autor konsequent als "Leib". So lockt man keine Leser an das Thema heran, die es nicht bereits als wichtig erkannt haben.
Auch geht mit Fischer gelegentlich merklich die Begeisterung für sein Fach durch. Seine Argumentationskette ist zwar didaktisch durchaus geschickt - der Mensch ist ein chemisches Wesen, in die Chemie der gesamten Biosphäre eingebunden, deren hauptsächliche Energiequelle die Sonne ist, wovon wir viel für "unsere" Chemie lernen können. Aber die Veranschaulichung, dass im menschlichen Körper praktisch nichts ohne Chemie funktioniert, von der Atmung und Verdauung über die Sinneswahrnehmung bis zum Denken, hätte auch kürzer ausfallen können. Da beginnt das x-te Beispiel irgendwann zu langweilen.
Dabei versteckt sich hinter diesen, nennen wir es, "dramaturgischen" Mängeln ein hochinteressantes und wichtiges Thema. Fischer hat dazu viel zu sagen, schließlich befasst er sich bereits seit den 1970ern damit. Der promovierte Chemiker ist Gründer der Firma Auro Naturfarben, die heute Marktführer in ihrem Bereich ist. Fischer selbst hat neben wissenschaftlichen Fachaufsätzen auch schon früher Bücher verfasst, die sich an das allgemeine Publikum richten, um für seine Ideen zu werben.
In "Stoff-Wechsel" legt er, wenn man seiner Argumentation trotz der genannten Mängel im Schreibstil folgt, seine Ideen überzeugend dar. Wer in den naturwissenschaftlichen Fächern in der Schule nicht ausschließlich geschlafen hat, sollte ihm dabei ohne größere Probleme folgen können. Außerdem verschweigt er auch die potentiellen Probleme der propagierten "solaren Chemie" nicht. Denn auch Fischers Weg bietet keine narrensicheren und diskussionslosen Lösungen. Auch diese Wende muss in der Gesellschaft diskutiert werden. Dazu bietet dieses Buch viele wichtige Grundlagen und Denkansätze, auch wenn nicht jeder Leser Fischer in seiner Argumentation vollständig zustimmen wird.
Fazit:
"Stoff-Wechsel" bietet viele Informationen und Diskussionsansätze zu einem Thema, das früher oder später auf der Agenda auftauchen wird. Leider erleichtert es der eher altbackene, kaum mitreißende Schreibstil des Autors nicht gerade, sich hinein zu vertiefen.
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Hermann Fischer
Stoff-Wechsel
Erscheinungsjahr: 2012
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Verlag Antje Kunstmann
Preis: € 19,95
ISBN: 978-3-88897-784-8
300 Seiten
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