Bookman - Das Ewige Empire I
Story:
London in einem alternativen 19. Jahrhundert: Terroranschläge erschüttern die Stadt. Der Bookman, ein geheimnisvoller Gegner der Regierung, stiftet durch explodierende Bücher Unheil und Chaos. Überall herrscht Unsicherheit und Tod. Auch der bevorstehende Start einer wissenschaftlichen Marssonde wird sabotiert. Bei dem Attentat stirbt Lucy, die Freundin des Waisen Orphan, der sich nun aufmacht, den Bookman zu stellen. Um diesen zu finden, muss der junge Mann aus sprechenden Robotern, zwielichtigen Geheimdienstmitarbeitern und zahlreichen weiteren Personen penibel gehütete Informationen herausbekommen. Doch dann offenbart der Bookman Orphan eine Wahrheit, an die er nicht im Traum gedacht hätte. Das Blatt beginnt sich zu wenden...
Meinung:
Mit "Bookman - Das Ewige Empire I" ist dem israelischen Sci-Fi-Spezialisten Lavie Tidhar ("The Apex Book of World SF 1&2") eine spannende, fesselnde und fantasievolle Steampunk-Geschichte gelungen. Bereits auf den ersten Seiten entwickelt der flüssig zu lesende Roman einen Sog, der den Leser gefangen nimmt. Durch abwechslungsreiche Settings und flotten Handlungsfortschritt bliebt die Spannung bis zum Finale aufrecht. Auch weil der mysteriöse Bookman niemals seine wahren Absichten offenbart und Tidhar bis zum Ende die eine "wahre" Lösung offen lässt, nimmt das Interesse an Geschichte und Figuren niemals ab. "Bookman" macht Spaß, bietet spannende Unterhaltung und besinnt sich auf seinen starken Mix aus Sci-Fi/Steampunk-Krimi und Thriller-Elementen. Die deutschsprachige Ausgabe - bei Piper Fantasy, einer Sparte des Münchener Piper Verlags, erschienen - überzeugt durch gute Lesbarkeit und "runde" Formulierungen. Übersetzer Michael Koseler erledigt seinen Job hervorragend. Sein Text erscheint jederzeit authentisch und sauber formuliert.
Der Autor erzählt in diesem ersten von insgesamt drei Romanen von Protagonist Orphan, einem jungen Mann, der im London eines alternativen 19. Jahrhunderts - wie es im Steampunk üblich ist - einer harmonischen Gemeinschaft mit seiner Freundin Lucy entgegenblickt. Doch durch ein politisch motiviertes Attentat verliert er seine Angebetete. Was danach passiert, war nach den ersten Kapiteln kaum vorhersehbar. Eine abenteuerliche Achterbahnfahrt beginnt für Figur und Leser gleichermaßen. Der Protagonist lernt die politisch-gesellschaftliche Realität "seiner" Welt kennen, lernt andere Perspektiven zu schätzen und erfährt ein Geheimnis, dass sein Leben, wie er es bis dato geführt hat, schlagartig beendet. Auswirkungen auf das gesamte Empire sind nicht auszuschließen! Bald soll er auf eine lange, gefährliche und abenteuerliche Reise gehen, die den Leser in eine vielfältige Welt voller, für das Steampunk-Genre typischer Elemente entführt. Die Story ist episodenhaft in viele Abschnitte unterteilt, von denen jeder Orphan ein Stück weiter bringt, aber auch den handlungsspezifischen Umfang des Buches erweitert. In seinen Grundzügen erinnert der Aufbau an Videogames der Genres Abenteuer- und Rollenspiel. Aufeinander aufbauende Rätsel und deren Lösung bringen den Protagonisten Stück für Stück näher an sein Ziel. Unvorhersehbare Wendungen und kreative Verflechtungen lassen die Story gleichbleibend interessant wirken. Der Autor bietet seinen Lesern eine breitgefächerte Handlung, die mit ausgefeilten Ideen punktet.
Schon der Titel drückt eine gewisse Nähe und Verbundenheit zur Literatur aus, die sich über das gesamte Buch verteilt in der Geschichte wiederfinden lässt. Ein Buchladen wird zum Startpunkt für Orphans heikle Entdeckungstour. Bücher dienen dem Bookman als Ausübungsinstrument seiner Terroranschläge und im weiteren Verlauf des Romans soll Orphan durch ein ganz besonderes Buch übernatürliche Kräfte erlangen. Doch damit nicht genug. Lavie Tidhar involviert Figuren aus der Literaturhistorie, wenn auch in abgewandelter Funktion, die sich von ihrem eigentlichen Ich zum Teil deutlich unterscheiden. Lord Byron und ein gewisser Jack (in englischsprachigen Märchen heißt der Protagonist oft Jack, kongruent zum deutschen Hans wie in "Hans im Glück" oder "Hans und die Bohnenranke") dienen der Hauptfigur als Wegweiser, Jules Verne und Kapitän Nemo fahren gemeinsam zur See! Londons Kultkiller Jack The Ripper gibt ein Cameoauftritt und die aus Sherlock Holmes bekannte Irene Adler ist ebenfalls mit von der Partie. Zudem setzt Tidhar jedem seiner Kapitel Zitate aus berühmten Werken voran. Dies sind nur einige wenige Berührungspunkte mit der weiten literarischen Welt. Auch ohne diese zu erkennen, kann die Geschichte des Romans durch den Leser problemlos verstanden werden. Vorwissen wird nicht vorausgesetzt, hilft jedoch, die Komplexität des "Bookman"-Universums zu verstehen Diese Einschübe sind als Kniefall vor der phantastischen Literatur zu verstehen und zeigen die Verbundenheit des Autors gegenüber Werken und Schriftstellern seines Metiers. Definitiv eine nette Idee, die sich durch das gesamte Werk zieht.
Zudem lässt der Autor eine Steampunk-Welt aufleben, die es in sich hat. Roboter spielen Schach (!), entwickeln eigenständige Gedanken und einen nicht zu unterschätzenden Überlebenswillen. Orphan reist mit Luftschiffen, Unterseebooten und beschäftigt sich zudem mit allerlei übersinnlichem Zeugs. Freunde phantastischer Literatur finden hier ein buntes Potpourri vieler Ideen, Einflüsse, Genres und Ansätze vor, das von Tidhar zu einem erfreulich eigenständigen, jederzeit lesenswertem Roman verarbeitet wird. Bleibt zu hoffen, dass der veröffentlichende Piper Verlag zügig Teil 2 und 3 herausbringt. Die Welt des Bookman hat noch einige Reize zu bieten, auf die der Leser bereits nach den letzten Zeilen dieses ersten Bandes gespannt vorausblickt. In Großbritannien sind diese übrigens bereits jetzt erhältlich. Zudem gibt es einen umfangreichen Sammelband, der alle drei Bookman-Abenteuer in sich vereint.
Fazit:
"Bookman - Das Ewige Empire I" ist ein kurzweiliger Steampunk-Krimi-Thriller-Mix der lesenswert und voller liebevoller Kniefälle vor Autoren und Werken der phantastischen Literatur stetig hohe Unterhaltung bietet. Seine episodenhafte Erzählung bietet lang anhaltende Spannung und hält das Interesse auf Leserseite dauerhaft aufrecht. Das 432 Seiten starke, broschierte Taschenbuch aus dem Piper Verlag entspricht den guten Standards dieses Verlagshauses und macht im Buchregal eines jeden Phantastik-Freundes eine gute Figur. Zudem überzeugt die deutsche Bearbeitung.
|