Die Magier von Montparnasse
Story:
Was wäre, wenn
ein Zauberkünstler vor Publikum echte Magie einsetzen würde? In
Montparnasse passiert genau das dem Zauberer Ravi und seiner
Assistentin Blanche. Um den Fehltritt ihres Meisters ungeschehen zu
machen, spricht auch sie einen Zauber aus. Doch statt am Morgen
danach wieder aufzuwachen, verfällt Blanche in eine Art Schlaf. Für
die Bewohner des Viertels beginnt jedoch an sieben
aufeinanderfolgenden Tagen jeder Tag als Sonntag und sie können sich
am nächsten Morgen nicht mehr daran erinnern. Nach und nach tauchen
mehr Magier auf und die ungleichen Zauberkollegen müssen zusammen
arbeiten, um das Rätsel von Blanches Zauber zu lösen und zu
verhindern, dass Montparnasse nie mehr aus dem Sonntag erwacht.
Meinung:
Montparnasse
– der Berg und somit Heimatort der Musen – ist seit dem 17.
Jahrhundert der Dreh- und Angelpunkt für Künstler in der Stadt der
Liebe. Besonders in den 1920er Jahren war das Viertel berühmt und
berüchtigt für die Kreativen, die sich hier nieder ließen. Wo
sonst, wenn nicht in Montparnasse, trifft das vergnügliche,
lebenslustige Paris auf seine alte, geschichtsträchtige und dunkle
Seite? Den Ort, wo die Bars, Cafés und Etablissements jeglicher
Couleur auf die Katakomben und den Cimetière Montparnasse, auf dem
Künstler wie Charles Baudelaire beerdigt liegen, treffen, nutzt der
studierte Anglist und Ethnologe Oliver Plaschka als Bühne für seine
Geschichte aus dem September 1926, in der Illusion, Magie und
Wirklichkeit miteinander verschmelzen.
Gleich eine Schar
von Erzählern berichtet aus verschiedenen Blickwinkeln von den
Ereignissen, die am 26.09.1926 stattfinden, jenem Sonntag, der sich
sieben Mal wiederholen und dabei jedes Mal anders ablaufen soll.
Neben dem Zauberer Ravi und seiner liebreizenden aber leider komatös
verhinderten Assistenten Blanche, erzählen auch der britische Magier
Barneby, die Kellnerin Justine, der von einer Karriere als
Schriftsteller träumende Gaspard und das Ehepaar Alphonse und Esmée
von den seltsamen Begebenheiten, die sich im und um das „Jardin“,
dem kleinen Café mit Übernachtungsmöglichkeit, abspielen. Außer
Ravi und Blanche steigen nach und nach Barneby, die exotische Céleste
und der engelhafte Orlando mit seinem
zwergenhaften Diener Chloderic im „Jardin“ ab. Ein jeder
Erzähler hat dabei seine eigene Art dem Leser seine Gedanken
mitzuteilen, und so ergibt sich aus den Puzzelstücken ein komplexes
Bild, das nicht nur ihre Beweggründe, sondern auch die Beziehungen
der einzelnen Figuren zueinander offenbart.
Das „Jardin“
und seine direkte Umgebung sind ein Mikrokosmos und zugleich
Spiegelbild des blühenden, verrückten Viertels und seiner Bewohner.
So werden zwei Drittel des Romans zum regelrechten Kammerspiel, in
dem die Zauberer versuchen sich gegenseitig zu verstehen und die
Hintergründe ihres Handeln zu ergründen, während vor allem Justine
und Gaspard zum Spielball ihrer Vermutungen werden, wenn es darum
geht, die Grenzen von Blanches Zauber auszuloten. Wer kann wem
trauen? Wer weiß was? Wer ist ein Spitzel der Société Silencieuse,
der Magierzunft, und wer kann einem wirklich helfen? Träume,
Gefahren, Freude, Missmut, Liebe, Hass, Trauer und Tod bestimmen die
Tage, die die alle vergessen, aber die Zauberer nicht.
Im letzten
Drittel geht es dann Schlag auf Schlag. Plaschka zieht das
Erzähltempo deutlich an und offenbart Stück für Stück, welche
anderen negativen Auswirkungen der Zauber hatte, welches Schicksal
Montparnasse und vielleicht auch der übrigen Welt droht, welche
Person der Drahtzieher hinter dem Unglück ist und wer am meisten
davon profitiert.
Der Ludwigsburger
Plaschka, der im Anhang einen kurzen Einblick auf seine
Recherchearbeit und die vielen wahren Begebenheiten gibt, zeigt,
welches erzählerische Talent in ihm schlummert. Nicht umsonst wurde
sein 2007 erschienenes Debüt „Fairwater“ mit dem Deutschen
Phantastik Preis ausgezeichnet. Mehr als einmal weiß er seine Leser
durch überraschende Wendungen und Enthüllungen zu überraschen. Wie
auch seine Magier kennt er sich aus mit dem Spiel der Illusionen und
entführt seine Leser in eine Welt voller Schein und Sein. Ein
wirklich großartiges Abenteuer!
Fazit:
Oliver Plaschkas
Roman „Die Magier von Montparnasse“ ist eine Zeitreise in das
Paris der verrückten Zwanziger des letzten Jahrhunderts. Die Welt
des Varietés trifft hier auf echte Magier, deren Zauberkunst weit
mehr ist als nur Tricksereien mit den Sehgewohnheiten der Einwohner.
Ein wundervoller Roman voller falscher Zauber, echter Magie und
sympathischen Figuren.
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