Das Mädchen seiner Träume: Commissario Brunettis siebzehnter Fall
Story:
Commissario Brunetti wird von einem Priester gebeten, etwas über einen wahrscheinlichen Scharlatan herauszufinden, der die religiösen Gefühle seiner Mitmenschen schamlos ausnutzt. Doch gleichzeitig hält ein anderer Fall den Kommissar in Atem. Ein totes Mädchen wird im Wasser gefunden. Und dieser Mord verfolgt ihn bis in seine Träume.
Meinung:
Seit 20 Jahren schreibt Donna Leon die "Commissario Brunetti"-Romane. Ihre Geschichten erfreuen sich immer noch größter Beliebtheit, vor allem hier in Deutschland. Zum Jubiläum bringt der Diogenes-Verlag alle bisherigen Bände nochmal neu heraus. Dieses Mal allerdings in einer wunderschönen gebundenen Edition. Besprochen wird hier der siebzehnte Fall "Das Mädchen seiner Träume".
Auch wenn es ihre Bücher den Anschein erwecken, ist Donna Leon keine Italienerin. Vielmehr ist sie US-Amerikanerin und wurde 1942 in New Jersey geboren. Nach einem Studium in ihrer Heimat und in Siena wie auch Perugia, unterrichtete sie, genauso wie ihre Romanfigur Paola, Englisch und englische Literatur. Dies tat sie in wechselnden Stationen, unter anderem in China. Derzeit wohnt sie in Venedig, was auch der Handlungsort ihrer "Commissario Brunetti"-Romane ist.
Brunetti ist Kommissar bei der venedischen Polizei. Eines Tages spricht ihn der Prediger an, der die Beerdigung seiner Mutter leitete. Er bittet ihn, einem Scharlatan nachzugehen, der einer Sekte vorsteht, die das Geld der Elite will.
Doch schon bald nimmt ein anderer Fall die Aufmerksamkeit von Brunetti in Anspruch. Ein totes Mädchen wird im Wasser gefunden. Eine Roma, die vermutlich bei einem ihrer Diebeszüge ums Leben kam. Sie wurde nur elf Jahre alt. Ihr Bild verfolgt den Kommissar bis in seine Träume, weshalb er sich verstärkt um die Aufklärung kümmern will. Doch ist dies leichter gesagt als getan, denn die Spur führt bis in die obersten gesellschaftlichen Schichten, die sich alles andere als kooperativ zeigen.
Einen Brunetti-Roman zu lesen ist wie ein Besuch bei Bekannten. Man kennt und schätzt sich und weiß, wie die Dinge ungefähr ablaufen werden. Änderungen gibt es höchstens im Detail.
Das ist auch in "Das Mädchen seiner Träume" der Fall. Man trifft im Laufe der Handlung auf bekannte Gesichter. Und auch, wenn man die letzten Romane nicht las, so hat man doch keine Schwierigkeiten damit, sich wieder zu Recht zu finden. Das liegt unter anderem daran, dass die Veränderungen für den eigentlichen Fall keine Bedeutung haben.
Wobei das Highlight der Serie immer noch der Handlungsort ist. Es gelingt Donna Leon problemlos, die Atmosphäre von Venedig in der Geschichte wiederzugeben. Man hat das Gefühl, persönlich vor Ort zu sein und Brunetti bei seinen Ermittlungen auf den Wegen durch die Stadt zu begleiten. Man fühlt mit ihm, wenn er sich darüber beklagt, dass viele Einzelhandelsgeschäfte schließen um irgendwelchen Supermärkten Platz zu machen. Man genießt mit ihm das italienische Essen und gönnt sich in seiner Gegenwart ebenso einen Wein oder einen Espresso. Der Fall gerät da zur Nebensache.
Was vielleicht auch nicht schlecht ist. Denn wie in den Bruder Cadfael-Romane von Ellis Peters hat auch Donna Leon wiederkehrende Handlungselemente. In ihrem Fall sind dies, dass der Commissario bestenfalls nur die kleinen Fische fängt, während die Hintermänner, meistens Mitglieder der sozialen Elite Venedig oder Italiens ungeschoren davonkommen. Man kennt es nicht inzwischen nicht anders.
Doch normalerweise gelingt es der Autorin trotzdem eine spannende Geschichte zu schreiben. Nur in diesem Roman nicht. Die beiden Fälle, mit denen sich Brunetti beschäftigt schaffen es nicht, das Interesse des Lesers dauerhaft zu fesseln. Im Gegenteil: Sie plätschern einschläfernd vor sich hin.
Noch schlimmer ist, dass Frau Leon meint jedes nur erdenkliche Klischee über einige Handlungstragende Figuren zu bestätigen zu müssen. Nach ihr ist es natürlich so, dass die Roma ein Volk voller Ganoven und Dieben sind, denen man nicht über den Weg trauen darf. Natürlich sind nach ihr die Hintermänner der Fälle unantastbar. Und natürlich sind dies alles Vorurteile, die durch die Handlung bestätigt werden müssen. Die Autorin macht sich überhaupt keine Mühe, diese Eindrücke zu variieren. Und dementsprechend platt wirken die Vertreter jener Klischees.
Um zu verstehen, was die Krimis von Donna Leon ausmacht, ist dieser Roman nicht zu empfehlen. Auch als Fan der Reihe dürfte man mit dem Buch so seine Schwierigkeiten haben. Und so ist der Band "Für Zwischendurch" zu empfehlen.
Fazit:
"Das Mädchen seiner Träume" ist Donna Leons siebzehnter "Comissario Brunetti"-Krimi. Der Roman liest sich wie ein Wiedersehen mit alten Bekannten. Und so ist das Highlight des Buches nicht der Fall, sondern der Handlungsort und die daraus entstehende Atmosphäre, die die Schriftstellerin gekonnt erzeugt. Leider sind die Fälle, mit denen sich ihre Titelfigur beschäftigt, uninteressant geschrieben. Die Handlung plätschert vor sich hin. Gleichzeitig meint die Autorin, jedes nur erdenkliche Klischee zu bestätigen, was schade ist.
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