Das Schwarze Auge - Basisregelwerk
Story:
Rollenspiel abseits der Bildschirmwelten Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man davon ausgehen, dass die Welt der Rollenspiele auf MMORPG`s im Stil von World of Warcraft und Erlebniswelten á la Skyrim beschränkt ist. Doch nach wie vor existieren passionierte Spieler, die sich mit einem Stapel Bücher (den sogenannten „Regelwerken“) und einem Lederbeutel voller Würfel treffen um mit ihren fiktiven Helden Abenteuer zu erleben.
Ein lebendiges System Eines dieser „Pen and Paper“-Systeme ist „Das Schwarze Auge“. 1984 veröffentlichte Ulrich Kiesow das Fantasy-Rollenspiel und seit 27 Jahren arbeitet ein wachsendes Autorenteam an der Spielwelt. Aventurien heißt der erdachte Kontinent, auf dem der größte Teil der Handlung angesiedelt ist.
Seit den Anfängen des Schwarzen Auges vor beinahe 3 Jahrzehnten wurden die Regeln mehrfach überarbeitet. In diesem Zusammenhang spricht man von den unterschiedlichen Editionen, derzeit ist die vierte aktuell. Auf Grund einiger weiterer Veränderungen wird auch von 4.1 gesprochen.
Zum besseren Verständnis: In den früheren Editionen wurden die Spielinhalte in sogenannten Boxen vertrieben. Da gab es beispielsweise eine Box für Einsteiger inklusive Abenteuer, Heldenbogen, Würfel, Basisregeln und einer Karte oder eine andere für die Charaktererstellung nicht magiebegabter Figuren. Mittlerweile werden die Regelwerke als gebundene Bücher vertrieben. Die Vor- und Nachteile liegen auf der Hand: Bücher sind wesentlich praktischer und langlebiger. Dafür fehlen Elemente wie Spielabenteuer oder Würfel als Zugabe fast gänzlich.
Meinung:
Für jeden etwas dabei Wer sich für historisch-fantastisch gefärbte Rollenspiele begeistern kann, wird in Aventurien fündig. Die unterschiedlichsten Epochen von den Wikingern bis hin zur europäischen Renaissance werden bedient. Im Laufe der Zeit haben die Autoren eine komplexe Spielwelt zu erschaffen, in der Mantel und Degen Seite an Seite mit 1001 Nacht existieren kann (wenn auch nicht immer ohne Streit). Hin und wieder hören die Helden sogar Geschichten über Fabelwesen oder magische Artefakte. Doch derartiges ist auch im Land der DSA-Schöpfer eine Seltenheit.
290 Seiten für einen Abend Rollenspiel? Zum Reinschnuppern sind 30 € nicht gerade wenig. Darüber täuscht auch die hochwertige Optik nicht hinweg. Glücklicherweise kann man auch ohne eigenes Regelwerk mit Freunden spielen und sich zunächst davon überzeugen, ob man Spaß am Rollenspiel hat. Sollte das der Fall sein, ist das Basisregelwerk vermutlich eine der ersten Investitionen in das neue Hobby und deswegen soll an dieser Stelle beleuchtet werden, ob das Buch ein wertvoller Begleiter in der Welt des Schwarzen Auges sein kann.
Illustrationen lassen Aventurien lebendig werden
Das Cover des Regelwerks zeigt einen kleinen Teil der spielerischen Möglichkeiten: Ein Krieger, ein elfischer Waldläufer, ein schwer gerüsteter Zwerg und eine wehrhafte Thorwalerin stehen Rücken an Rücken. Diese qualitativ hochwertige Illustration steht stellvertretend für den Rest des Buches. Viele Kapitel sind großzügig und häufig farbig bebildert. Die Palette reicht dabei von skizzenhaft technischen Zeichnungen über Stadtpläne bis hin zu ganzseitigen Charakterstudien.
Der Rand ist im gesamten Buch mit kleinen Zeichnungen und mittelalterlich anmutenden Ornamenten verziert. Sehr atmosphärisch! Eine schöne Idee ist die Randmarke in Form einer runden Ikone, die eine schnelle Orientierung durch die verschiedenen Kapitel erlaubt.
Was ist ein Rollenspiel? So lautet der Name des ersten Kapitels, das mit einem erzählenden Text beginnt. Beschrieben wird eine Situation in einer „typisch aventurischen Kneipe“. Dies ist der erste einer Reihe kurzer Sequenzen, die sich durch das Buch ziehen. Eine tolle Idee um die sachlichen Inhalte aufzulockern!
Im Anschluss nehmen sich die Autoren 20 Seiten Zeit zu erklären, was Aventurien ist, wie ein Rollenspiel funktioniert und was auf dem Charakterbogen zu sehen ist. Der Heldenbrief wird mit Hilfe eines verkleinerten Exemplars und einer Legende erläutert. Das ist didaktisch gut gelöst, allerdings hätte ein ausgefüllter Heldenbrief den Praxisbezug weiter erleichtert.
Die Qual der Wahl – Die Charaktererschaffung Für Einsteiger ist der Bereich der Charaktererschaffung wohl der Wichtigste im Buch. Einmal getroffene Entscheidungen tragen zur Identifikation mit dem Helden bei und beeinflussen das gesamte Spielerlebnis. Daher sind dem Thema auch 90 Seiten gewidmet.
Der Einstieg in die Thematik ist auch hier gelungen. „Aventurische Archetypen“ sind vorbereitete Charaktere, die mit wenig Aufwand übernommen werden können. Auf entsprechende Heldenbögen für diese Archetypen kann man kostenlos auf der Homepage zugreifen. Der Service ist nützlich, allerdings hätte man für dreißig Euro auch ein Set beilegen können. Die Archetypen werden jeweils mit Bild, Spielweise, Ausrüstung, Talentübersicht und – sehr gut – typischen Zitaten beschrieben, die sich gut ins Spiel einbringen lassen.
Entscheidet man sich gegen einen der Archetypen, wird man im weiteren Verlauf des Kapitels fündig. 12 übersichtlich gestaltete und erklärte Schritte führen zum eigenen Helden. Das sind Stationen wie Rasse, Kultur, Sonderfertigkeiten usw. Die Beschreibungen jener finden sich weiter hinten im Buch in separaten Bereichen, da es an dieser Stelle nur um die Regeln zur Erstellung geht. Eine abschließende Übersichtsseite fasst die 12 Schritte auf einer Seite zusammen: Klasse!
Die Informationen zu Rassen, Kulturen und Professionen sind schön bebildert und detailliert genug um eine fundierte Entscheidung zu treffen. Der Aufbau ist stets gleich gut strukturiert, das bewahrt Übersicht. Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis hilft im Zweifelsfall das Gesuchte schnell zu finden.
Vor- und Nachteile sowie Sonderfertigkeiten sind in aller Ausführlichkeit beschrieben, lassen aber leider etwas Struktur und Übersichtlichkeit vermissen. Die zahlreichen Eigenschaften und Werte sind in Fließtextform beschrieben, eine tabellarische Lösung mit thematischen Unterteilungen findet sich glücklicherweise in den Anhängen. Wenn man nicht weiß, wie das Gesuchte heißt, wird es allerdings haarig…
Regeln über Regeln Zwar ist den Spielern und dem Meister jeglicher Freiraum gegeben aber ein so altes System wie "Das Schwarze Auge" bietet für viele Fragestellungen einen Lösungsvorschlag.
Die folgenden Kapitel beschäftigen sich mit den Mechanismen, die die Spielwelt authentisch wirken lassen: „Das Talentsystem“, „Die Kampfregeln“, „Magie in Aventurien“ und natürlich „Umfassende Regeln“ (Für alle möglichen und unmöglichen Situationen).
Der didaktische Aufbau von groß nach klein wird konsequent umgesetzt und bis auf die nur durch Absätze unterteilten Fließtexte anstatt übersichtlicherer Tabellen mit kurzen Erklärungen gibt es in Punkto Ausführlichkeit und Umsetzung nichts zu bemängeln.
Für die Atmosphäre und das Rollenspiel… … ist eine gewisse Kenntnis der gastgebenden Spielwelt unerlässlich. Der letzte Abschnitt widmet sich dem fiktiven Kontinent. Die einzelnen Regionen vom ewigen Eis bis hin zu den sengenden Wüsten werden beschrieben. Illustrationen kommen in diesem Bereich leider etwas zu kurz.
Für ausführliche Schilderungen, wird auf eine andere Spielhilfe verwiesen. Das geht in Ordnung, da ein Basisregelwerk irgendwo Grenzen haben muss, wenn es den Einstieg nicht unnötig erschweren möchte. Es folgt alles Wichtige über die Götter Aventuriens, Details zum täglichen Leben, der Geschichte, verschiedenen Königreichen, der Ausrüstung und natürlich den Kreaturen und Monstern. Auch hier bleiben die Informationen relativ knapp, da für die einzelnen Bereiche und Regionen stets eigene Spielhilfen existieren.
Schön gelöst: Eine eingefügte Minikarte des Kontinents zeigt eingefärbt, wo die beschriebenen Wesen zu finden sind. Für die Regionalbeschreibungen fehlt diese Orientierungshilfe leider. Hier ist jedes Mal das Zurückblättern zur Übersichtskarte unausweichlich.
Spielhilfen Nützliche Anhänge wie eine Übersicht der Talente, eine Zusammenfassung spielwichtiger Regeln und ein leeres Heldendokument runden den Inhalt ab. Darüber hinaus liegen dem Buch eine „Schnellübersicht über die Basisregeln“ und einige leere Heldendokumente bei. Der Gedanke der Übersicht ist klasse. Deren Gestaltung wirkt etwas unübersichtlich, daher wird sie in der Praxis selten Verwendung finden. Optisch ansprechend und nützlich sind die beiden beigelegten Karten von Nostria und Andergast zum Einen und Aventurien zum Anderen. Eine Einladung nach Aventurien!
Fazit:
30 € sind nicht gerade wenig Geld für ein Buch, doch das Basisregelwerk ist das Geld wert. Alle wichtigen Bereiche werden angesprochen und man kann ein Abenteurerleben durchaus ohne andere Spielhilfen bestreiten.
Die grafische Gestaltung ist in fast allen Fällen gelungen und didaktisch gehen die Autoren kurze Wege, auch wenn in einigen Bereichen eine Mischform aus Tabellen und Texten das Nachschlagen erleichtert und Platz für Illustrationen in den Regionalbeschreibungen geschaffen hätte.
Die mitgelieferten Heldendokumente und das Kartenmaterial, freuen den Rollenspieler. Eines der wenigen Mankos ist das Fehlen eines Abenteuers um nach der Heldenerschaffung erste Schritte gehen zu können. Das täuscht jedoch nicht über den sehr positiven Gesamteindruck des Regelwerks hinweg. Zugreifen und Aventurien erleben!
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