Der Sturz des Engels
Story:
In London treffen sich Vertreter aller wichtigen Religionen und Sekten, um ihre teils Jahrtausende alten Streitigkeiten endlich beizulegen. Einen solchen Schulterschluss seiner Gegner kann Satan natürlich nicht einfach so hinnehmen. Er schickt deshalb eine tote Seele nach England, um die Konferenz mit allen Mitteln zu sprengen. Daraufhin wiederum steigt ein Erzengel vom Himmel hernieder, um die Delegierten zu schützen. Sollten die beiden mächtigen Wesen direkt gegeneinander antreten, würde wohl nicht nur die ganze Stadt als Kollateralschaden vernichtet werden.
Also lässt die britische Regierung zwei Experten aus den USA einfliegen: Dave Peters und Danny Spitz haben vor einigen Jahren erfolgreich einen gefallenen Engel ausgeschaltet. Aber diese neue Aufgabe droht sich als viel zu groß zu erweisen. Und die tote Seele ist jemand, der noch einen ganz eigenen Hass auf die beiden Polizisten hegt.
Meinung:
"Der Sturz des Engels" ist ein gutes Beispiel dafür, dass Fortsetzungen manchmal grandios in die Hose gehen können. War der Vorgänger "Feuerengel" noch ein halbwegs lesenswerter Roman, versagt dieser Band auf der ganzen Linie. Das betrifft sowohl die Geschichte als auch deren Umsetzung und die Charaktere.
Gleich zu Anfang reibt sich der Leser verblüfft die Augen: Zuvor hatten Dave und Danny noch strikt darauf achten müssen, dass niemand von ihrem Kampf gegen den mitleidlosen Engel erfährt. Hätten die Detektives ihren Vorgesetzten erzählt, dass hinter den verheerenden Bränden ein überirdisches Wesen stecke, hätte man sie wahrscheinlich erst mal in die Klapsmühle gesteckt. Aber nun sind Engel, Dämonen und so weiter offenbar Teil der ganz normalen Polizeiarbeit, und die beiden Polizisten werden als eine Art "Engel-Spezialtrupp" aus Amerika hinzugezogen? Das ändert die ganze Atmosphäre der Geschichte, und nicht zum Besseren.
Damit mag auch zusammenhängen, dass man als Leser kaum mit dem Geschehen mitfühlen kann. Zu den Stärken des ersten Teils gehörten die eindrucksvollen Beschreibungen, und zwar sowohl der Zerstörung durch das Feuer als auch der seelischen Konflikte, die die Hauptfiguren ausfechten mussten. Zerstörung und Gewalt gibt es auch diesmal mehr als genug, aber es lässt einen weitgehend kalt. Die seelischen Anfechtungen hat Kilworth praktisch ganz weggelassen.
So unbeeindruckt wie der Leser zeigen sich auch die Londoner, als die tote Seele wortwörtlich die biblischen Plagen auf die Stadt loslässt. Aus allen Ritzen steigen Millionen und Abermillionen von Fröschen, so dass man keinen Schritt tun kann, ohne mehrere von ihnen zu zertreten? Ach, da muss man halt etwas vorsichtig laufen oder fahren, wenn die Straßen von zerquetschen Fröschen glitschig sind. Aus allen Flüssen und Wasserleitungen der Stadt strömt stinkendes Blut? Die Tankwagen rücken aus, und schon ist die Versorgung mit Trinkwasser sichergestellt. Jede der immerhin neun Plagen hat das Potential, die Bevölkerung in den Wahnsinn zu treiben, aber spätestens nach zwei, drei Seiten haben die Menschen sich arrangiert.
Das nimmt der eigentlich brauchbaren Idee völlig ihr Potential. Wie soll beim Leser Horror entstehen, wenn sich bei den Charakteren in der Geschichte der Schrecken in Grenzen hält? Auch die Idee, Satan eine tote Seele, also die in die Hölle gefahrene Seele eines Menschen, als Antagonisten aussenden zu lassen, ist eigentlich nicht schlecht. Allerdings verpufft der Effekt völlig, weil der Leser wie gesagt nicht mitfühlt. Wieviele Menschen auch ermordet, vergewaltig, gefoltert werden, es ist im Prinzip egal.
Immerhin verbindet Kilworth diesmal die übernatürlichen Elemente besser mit dem Rest als in "Feuerengel". Das kann den Roman aber auch nicht davor retten, einfach nur völlig uninteressant zu sein.
Der deutsche Titel "Der Sturz des Engels" ergibt in der Geschichte keinen Sinn. Da ist der Originaltitel "Archangel" immerhin etwas besser. Hierzulande sind "Feuerengel" und "Der Sturz des Engels" auch in einem Band unter dem Titel "Die Engel" erschienen.
Fazit:
Die Fortsetzung von "Feuerengel" ist komplett misslungen. Die beiden Detektives arbeiten jetzt offiziell als eine Art "Engel-Spezialtruppe", was die Atmosphäre total verändert. Auch sonst kann man als Leser praktisch überhaupt nicht mitfühlen. Dazu trägt ebenfalls bei, dass die betroffenen Romanfiguren gewaltige Schrecken nach wenigen Seiten überwunden haben.
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Garry D. Kilworth
Der Sturz des Engels
Archangel
Übersetzer: Inge Holm
Erscheinungsjahr: 1996
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Bastei Lübbe
ISBN: 3-404-13766-3
282 Seiten
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