Das Labyrinth der Wörter
Story:
Germain Chaze weiß, dass er nicht gerade der Hellste ist. Er schlägt sich mehr recht als schlecht durchs Leben und ist nur mit wenigen befreundet. Eines Tages trifft er im Park Margueritte, eine alte Dame, die ihn nach und nach in die Welt der Literatur einführt. Dadurch verändert sich sein Leben von Grund auf.
Meinung:
In einer Welt, die immer schnelllebiger wird, und in der das Digitale langsam aber sicher den Alltag durchdringt, ist es schön, wenn man sich mit einem Buch gemütlich zurücklehnen kann und sich dabei entspannt. Allerdings ist es so, dass nicht jeder Mensch in dieser Lage ist, weil er entweder nicht bereit ist, sich mit einem Roman zu beschäftigen, oder weil er nicht in der Lage ist zu lesen. Letzteres trifft auf Germain Chaze zu, dem Protagonisten von Marie-Sabine Rogers Band "Das Labyrinth der Wörter".
Die Französin Roger wurde 1957 in Bordeaux geboren. Schon von früher Kindheit war klar, dass sie schriftstellerisch begabt ist, doch wurde sie stattdessen Vorschullehrerin. Erst Ende der 80er Jahre wurden die ersten Romane von ihr veröffentlicht, allerdings nur in Frankreich. "Das Labyrinth der Wörter" ist daher das Deutschland-Debüt der Autorin, was sicherlich nicht zuletzt daran liegt, dass das Buch 2010 mit Gèrard Depardieu in der Hauptrolle verfilmt worden ist. Hoffmann und Campe brachten im selben Jahr die hiesige Fassung als Hardcover auf den Markt, und dtv dieses Jahr die Taschenbuch-Version.
Das Leben von Germain Chaze ist eher beschaulich. Er ist nicht gerade intelligent, was er auch weiß. Er hangelt sich von Job zu Job, lebt in einem Wohnwagen bei seiner Mutter, die ihn nicht mag, und verbringt ansonsten seine Zeit bei seinen Freunden in der Kneipe. Er ist mit Annette zusammen, wobei er allerdings nicht weiß, ob er in sie verliebt ist oder nicht. Sein Leben fängt an sich zu ändern, als er eines Tages im Park der alten Dame Margueritte begegnet.
Beide befreunden sich schnell miteinander und er erfährt, dass sie einst Biologin war. Sie behandelt ihn jedoch nicht von oben herab, sondern wie einen normalen Menschen. Und sie beginnt ihn, in die Welt der Literatur einzuführen, in dem sie ihm zuerst vorliest und dann später einen Duden schenkt, in dem er die Wörter nachschlagen kann, die ihm nichts sagen. Und so langsam fängt Germain an, über sich selbst nachzudenken. Er beginnt seine Umwelt mit neuen Augen zu sehen und sich dementsprechend zu verhalten. Doch dann erfährt er, dass Margueritte erblindet, und beschließt, von nun an ihr vorzulesen.
Wenn man viel liest und viele Bücher besitzt, so ist dieser Roman für einen eine Art Liebeserklärung ans gedruckte Wort. Man fühlt sich in der Ahnung bestätigt, dass ein gutes Buch mehr ändern kann als tausend gesprochene Worte, und dass jede Veränderung im Kleinen anfängt. Denn dies ist die Situation von Germain.
Die Autorin charakterisiert ihn ausführlich und lässt ihn die Ereignisse erzählen. Germain ist ein ungewolltes Kind, dessen Mutter sich nicht großartig um ihn gekümmert hat. Und so hat er Schule und Bildung vernachlässigt, was letzten Endes zu seinem aktuellen Lebenswandel geführt hat. Er ist nur mit wenigen Leuten befreundet, die zwar manchmal über ihn lachen, aber ansonsten auch versuchen, ihn vor Dummheiten zu bewahren. Die Veränderung, die er durchmacht, beschreibt die Autorin langsam und behutsam. Und es wirkt auch glaubwürdig, wie aus dem tumben, großgewachsenen Kerl jemand wird, der vielleicht ein wenig intelligenter ist als zuvor.
Doch leider hat der Ich-Erzähler zur Folge, dass die anderen Figuren nicht ganz so ausgereift dargestellt werden, wie er selbst. So erfährt man zwar über Margueritte ein paar Details aus ihrer Vergangenheit, doch ansonsten bleibt diese so wichtige Figur ein wenig zu ungenau, was angesichts ihrer Bedeutung doch sehr schade ist. Aber auch die Beziehung von Germaine zu Annette wird nicht großartig entwickelt. Sie ist vorhanden und das ist alles.
Doch am Ende ist das Haupt-Manko des Romans, dass er arm an Höhepunkten ist. Die Handlung plätschert wohltuend vor sich hin, macht jedoch keine großartige Entwicklung durch. Das Drama um die Erblindung von Margueritte hätte ein dramatisches Ausrufezeichen sein können, ist hier jedoch nur ein weiterer Eckpfosten, an dem sich der Plot entlanghangeln kann. Den Band kann man prima kurz vorm Einschlafen lesen, da er insgesamt sehr unaufgeregt ist.
Und genau deshalb empfiehlt es sich, in den Roman "Reinschauen".
Fazit:
Marie-Sabine Roger schreibt in "Das Labyrinth der Wörter" eine dahinplätschernde, höhepunktarme Geschichte. Zwar ist es nett zu lesen, wie Germain und Margueritte sich einander kennenlernen und er durch den Einfluss der Bücher sich zu verändern begibt. Doch ein wenig mehr Spannung und Charakterisierung hätte dem Roman sicherlich nicht geschadet.
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