Die Welt des Bruder Cadfael
Story:
In zwanzig Romanen und drei Erzählungen aus der Welt von Bruder Cadfael trifft man auf eine Vielzahl von Personen, Orten, Ereignissen und anderen Begriffen. Dieses Nachschlagewerk bietet einen Überblick, wer welche Rolle spielte und welcher Teil historisch und welcher fiktiv ist.
Meinung:
In welchem Roman hat gleich wieder die Magd Rannilt ihren großen Auftritt? Wo im täglichen Kreis der Gottesdienste ist die None anzusiedeln? Was ist Kopfland? Und wie spricht man eigentlich Uchelwr aus?
Antworten auf diese und viele anderen Fragen findet der Fan von Ellis Peters Geschichten um den klugen Benediktinermönch in diesem Buch. Der Autor und Regionalforscher Robin Whiteman hat zusammengetragen, wer wer ist, was wann passiert und was davon tatsächlich historisch und was fiktiv ist. Einen Namen machte sich Whiteman nicht zuletzt mit der "Country Series" von Bildbänden über englische Gegenden und Landschaften, die er gemeinsam mit dem Fotografen Rob Talbot gestaltet.
Den Hauptteil von "Die Welt des Bruder Cadfael" macht ein Lexikon von Personen, Orten und Begebenheiten aus. Von A wie Abelard bis Z wie Zenghi schildern knappe Artikel, was es zum jeweiligen Thema zu wissen gibt. Die Einträge sind dabei von sehr unterschiedlicher Länge, von wenigen Zeilen bis mehreren Seiten.
An diesen Beispielen wird schon ein wichtiges Merkmal der gesamten Serie deutlich: Bei vielen Personen weist das Kürzel "hist." darauf hin, dass es sich um reale historische Gestalten handelt. In der Einleitung, die Ellis Peters beigesteuert hat, erklärt die Autorin auch, dass sie wo irgend möglich nur die Lücken in der realen Überlieferung mit den Produkten ihrer Fantasie gefüllt hat. Gefühlt überwiegt sogar die Anzahl der "realen" Personeneinträge die der ausgedachten.
Ergänzt wird der Hauptteil neben der bereits erwähnten Einleitung von längeren Artikeln über die Biographie Bruder Cadfaels, über den Verlauf des Bürgerkriegs zwischen Stephen und Maud sowie über den benediktinischen Orden. In sieben Anhängen gibt es außerdem eine Liste der Mönche der Abtei zu Shrewsbury, eine Liste der Könige, Kaiser, Päpste und Erzbischöfe, einen eigenen Abschnitt mit Wort- und Sacherklärungen, eine Chronologie der wichtigsten historischen und fiktiven Ereignisse, einige Stammbäume sowie – als besonders nette Ideen – Aussprachhilfen zum Walisischen und ein Verzeichnis der Pflanzen und Heillkräuter aus Cadfaels Garten. Etwas ernüchternd ist es, wenn vor dem letztgenannten der ausdrückliche Hinweis stehen muss, dass diese Informationen nicht zur Selbstmedikation geeignet sind. Das sollte eigentlich jeder halbwegs verständige Leser selbst wissen. Abgerundet wird das Buch mit einer Reihe von Karten, von Übersichtskarten des Landes bis zum Stadtplan des damaligen Shrewsbury oder einem Plan der Klosteranlage.
Viel neues über Cadfael und seine Abenteuer kann Whiteman logischerweise nicht beitragen, schließlich kann er nur mit dem arbeiten, was Ellis Peters geschaffen hat. Aber an mancher Stelle gelingt es ihm, allgemeine Überlegungen auf den Detektiv in der Mönchskutte anzuwenden. Beispielsweise liegt es nicht fern sich vorzustellen, dass die generellen Regeln und Zeremonien für die Aufnahme in den Benediktinerorden auch in Cadfaels Fall zur Anwendung kamen.
Für Neueinsteiger in die Reihe ist das Buch eher nicht geeignet. Dafür wird, um Spoiler zu vermeiden, der Inhalt der Romane zu oft nur angerissen. "Die Welt des Bruder Cadfael" richtet sich eher an den erfahrenen Cadfael-Fan, der im Lexikon Fragen schnell klären kann, ohne sich dafür durch zwanzig Romane und drei Erzählungen blättern zu müssen. Interessanterweise taugt das Buch außerdem als eine Art Fotoalbum: Der Leser ertappt sich dabei, beim Lesen des Eintrags zu einer Person in eine leicht nostalgische "Weißt Du noch"-Stimmung zu geraten, als würde er die Bilder vom letzten Familienurlaub betrachten. Ach ja, das war damals im Jahr 1141...
Für die deutsche Ausgabe des englischen Originals hat Herausgeber Matthias Kringe übrigens nicht "nur" den Text übersetzt. Zusätzlich hat er Informationen über Personen, Amtsbezeichnungen und ähnliches ergänzt, die man bei einem hiesigen Leser nicht einfach voraussetzen kann. Die Kinder in Shropshire lernen in der Schule, wer König Stephen, Ranulf von Chester oder Roger de Montgomery waren, dem deutschen Leser sind diese Namen vor dem ersten Kontakt mit Bruder Cadfael nicht zwangsläufig vertraut. Auf der anderen Seite wurden einige überbordende Details über regionale Besonderheiten entfernt, ebenso wie die ausführlichen Nacherzählungen der Romane – inklusive der kriminalistischen Auflösungen.
Insgesamt ist "Die Welt des Bruder Cadfael" eine gute Ergänzung zur Reihe für alle, die sich ausführlicher mit der Welt des zwölften Jahrhunderts in der Grenzregion zwischen England und Wales befassen wollen. Wer sich nach dem Zuklappen der Romane nicht weiter mit ihnen befassen möchte oder sie (noch) gar nicht gelesen hat, ist für dieses Buch nicht die richtige Zielgruppe.
Fazit:
Für alle Fans der Geschichten um Bruder Cadfael hat Robin Whiteman ein Lexikon zusammengestellt, in dem man historische wie fiktive Figuren aus den Romanen wiederfindet. Wer sich intensiver mit der Serie und ihrem realgeschichtlichen Hintergrund befassen will, findet hier wertvolle Hilfe. Mit dieser relativ engen Eingrenzung dürfte die Zielgruppe des Buches aber schon beschrieben sein. Erwähnenswert ist, dass für die deutsche Ausgabe außer der reinen Übersetzung auch inhaltliche Anpassungen an den zu erwartenden Wissensstand eines deutschen im Vergleich zu einem englischen Leser vorgenommen wurden.
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Robin Whiteman
Die Welt des Bruder Cadfael
The Cadfael Companion
Übersetzer: Matthias Kringe (Hrsg. d. deutschen Ausgabe)
Erscheinungsjahr: 1996
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Heyne Verlag
ISBN: 3-453-10852-3
270 Seiten
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