Bruder Cadfael 17: Bruder Cadfael und das Geheimnis der schönen Toten
Story:
Es scheint ein alltägliches Geschäft zu sein: Die Benediktinerabtei zu Shrewsbury überlässt den Augustinern aus Haughmond ein Grundstück, das diese besser bewirtschaften können. Im Austausch erhält man Land, das für Shrewsbury günstiger gelegen ist.
Aber kaum hat der Pflug der neuen Besitzer die erste Furche gezogen, fördert er etwas zu Tage, das die Aufmerksamkeit der weltlichen und der geistlichen Herren erfordert: Im alten Töpferacker liegen die sterblichen Überreste einer Frau. Sie wurde dort offenkundig heimlich und ungesetzlich begraben, aber nicht ohne Respekt und einen wenigstens improvisierten Ritus.
Schnell wendet sich die Aufmerksamkeit einem der Klosterbrüder zu. Der war vor noch nicht einmal zwei Jahren der Pächter des Landes, bis er seiner Berufung folgte. Seiner Frau brachte die Entscheidung viel Kummer, und man sagt, dass sie bald darauf mit einem anderen Mann auf und davon ging. Aber was wurde wirklich aus ihr?
Meinung:
Ellis Peters zeigt erneut, dass man auch im mittlerweile siebzehnten Band mit derselben Grundkonstellation noch eine interessante Geschichte erzählen kann. Dabei variiert sie das bereits in verschiedenen Besprechungen aus dieser Reihe erwähnte "Grundrezept" wieder einmal, diesmal sogar ungewöhnlich umfangreich.
Beispielsweise steht der junge Mann, der sich Cadfaels Vertrauen erworben hat, zunächst überhaupt nicht unter Verdacht. Es ist sogar der Detektiv in der Mönchskutte selbst, der die entsprechenden Hinweise zu Tage fördert. Auch das "obligatorische" Liebespaar lässt sich mit seinem ersten Auftritt reichlich Zeit.
Stattdessen steht in diesem Roman etwas im Mittelpunkt, was in anderen Bänden der Serie eher in den Hintergrund geraten ist: Der Kriminalfall und die dazugehörigen Ermittlungen. Dabei legt die Autorin geschickt falsche Spuren, die die Erwartungen des Lesers auf positive Art brechen. Etwa in der Mitte kommt kurz die Befürchtung auf, dass die Geschichte zu repetitiv werden könnte: Cadfael und Hugh Beringar stoßen auf eine Frau, die vermisst wird und bei der es sich um die geheimnisvolle Tote handeln könnte. Aber entweder wird bezeugt, dass die Vermisste zumindest vor kurzem noch lebte, oder sie taucht direkt selbst auf. Dieses Muster wird jedoch durchbrochen, bevor es ernsthaft störend wird. Der etwas unhandlich geratene deutsche Titel gibt also wieder, was auch tatsächlich im Zentrum steht: Das Geheimnis der schönen Toten.
Dabei werden der Mönch und der Sheriff nicht ohne Grund als Team genannt. Der Bruder bekommt von Abt Ranulfus regelrecht den offiziellen Auftrag, die Angelegenheit aufzuklären. Als dem Klostervorstand die Nachricht vom Fund der Leiche überbracht wird, gibt der Cadfael einfach seine Vollmacht mit den Worten "Tu, was getan werden muss". So leicht hat der Mönch wohl noch nie einen Dispens von den eigentlich strengen Klosterregeln bekommen. Das ist so auffällig, dass Peters ihren Helden sogar darüber sinnieren lässt. Ähnliche Stellen gibt es noch zwei oder drei, wenn Hugh etwa Subprior Richard sein Pferd anbietet, um zurück zur Abtei zu reiten – genau den "Grauen", von dem bisher immer gesagt wurde, dass er außer seinem Besitzer keinen Reiter akzeptiere. Immerhin lässt die Autorin den Sheriff noch eine Bemerkung darüber machen, aber Richard kommt wohlbehalten am Ziel an.
Im letzten Band, "Bruder Cadfael und der Ketzerlehrling", war negativ aufgefallen, dass einige altgewohnte Namen plötzlich eingedeutscht wurden. Diesmal geht der wiederum neue Übersetzer in die entgegengesetzte Richtung und lässt auffällig viele Begriffe im Original stehen. Die Klosterbrüder werden beispielsweise ein Mal als "Fratres" bezeichnet, und die verschiedenen Teile eines Pfluges werden benannt, aber nicht weiter erläutert. Es hat aber keinen nennenswerten Einfluss auf das Verständnis, wenn der Leser nicht genau weiß, wo an einem Pflug Kolter oder Streichbrett zu finden sind.
"Bruder Cadfael und das Geheimnis der schönen Toten" setzt weniger auf Spannung, sondern mehr auf die Stückchen für Stückchen (und mit genügend Finten) enthüllte Geschichte, wie die dunkelhaarige Frau tatsächlich im Töpferacker ihr Grab fand. Damit schafft die Autorin es ohne Probleme, das Interesse ihrer Leser wach zu halten. Ihr auch diesmal wieder bewiesenes Talent, stimmige und interessante Figuren zu schreiben, hilft ihr dabei ebenfalls.
Auf den ersten Blick übertrieben erscheint der historische Hintergrund. Ein Earl schwankt mehrfach zwischen der Loyalität zu König Stephen oder zu Kaiserin Maude hin und her, handelt schließlich "auf eigene Rechnung" und erobert ein Kloster nahe Cambridge, das er zum Ausgangspunkt für Plünderzüge macht? Aber die Geschichtsbücher berichten tatsächlich davon, dass Geoffrey de Mandeville das tatsächlich durchgezogen hat. Die "reale Historie" wird also, wie von der Reihe gewohnt, geschickt in die Handlung einbezogen. Sie dient nicht nur als Hintergrund, sondern auch unter anderem als Ablenkung für Hugh Beringar, der auch ohne den Renegaten schon genug Probleme hat.
Der Roman kann im Zweifel unabhängig von den restlichen Cadfael-Abenteuern gelesen werden und ist auch ein gutes Beispiel für die Qualität der Reihe. Aber es sei trotzdem empfohlen, die Serie in der richtigen Reihenfolge zu genießen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil in "Bruder Cadfael und das Geheimnis der schönen Toten" erfreulich viele Ereignisse und Charaktere aus früheren Bänden auftauchen, die für "altgediente" Fans ein zusätzliches Vergnügen sind.
Fazit:
Dieses Cadfael-Abenteuer konzentriert sich stark auf den Kriminalfall und dessen Auflösung, vernachlässigt aber die gewohnt stimmigen Charaktere und deren Interaktion nicht. Die auf den ersten Blick unglaubwürdigen Geschehnisse in der historischen Einbettung haben laut Geschichtsbuch tatsächlich so stattgefunden.
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Ellis Peters
Bruder Cadfael 17: Bruder Cadfael und das Geheimnis der schönen Toten
The Potter's Field
Übersetzer: Hans-Joachim Maass
Erscheinungsjahr: 1993
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Heyne Verlag
ISBN: 3-453-08266-4
302 Seiten
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