Bruder Cadfael 01: Im Namen der Heiligen
Story:
Nach einem langen Leben in der Welt des zwölften Jahrhunderts hat sich Cadfael in die ruhige Welt des Benediktinerklosters in Shrewsbury zurückgezogen. Aber auch hinter den Mauern von St. Peter und Paul wird er mit der Fehlbarkeit und den Sünden der Menschen konfrontiert.
Als eine andere Abtei mit neu gefundenen Reliquien großes Ansehen gewinnt, steht für Prior Robert fest, dass auch St. Peter und Paul einen mächtigen Schirmherren braucht. Im nahen Wales gibt es doch so viele Heilige, die schon fast vergessen sind. Und tatsächlich erfährt ein Mitbruder eine "Vision", dass die Heilige Winifred ihre sterblichen Überreste in Zukunft lieber in Shrewsbury sehen würde.
An der Spitze einer Delegation zieht Prior Robert höchstpersönlich nach Wales, um die Reliquien in sein Kloster heimzuführen. Auch der dort geborene Cadfael ist als Dolmetscher dabei. Aber nicht alle Einheimischen wollen ihre Heilige so einfach den Mönchen aus dem Ausland überlassen. Und als Rhisiart, der Wortführer der Gegner ermordet wird, steht dem übersetzenden Bruder viel Arbeit bevor. Er muss dafür sorgen, dass die Schuldigen entlarvt und unschuldig Verdächtige entlastet werden.
Meinung:
Die Engländerin Edith Pargenter hat in ihrem Leben Bücher aus den verschiedensten Gebieten verfasst, unter anderem preisgekrönte Übersetzungen aus dem Tschechischen oder die zeitgenössische Krimiserie um Inspector Felse. Bekannt dürfte sie den meisten jedoch unter ihrem Pseudonym Ellis Peters und als die Schöpferin von Bruder Cadfael sein. Der kluge und lebenserfahrene Benediktinermönch erforscht in insgesamt zwanzig Romanen die Geheimnisse seiner Mitmenschen im mittelalterlichen England. Dabei klärt er Verbrechen und verhilft auch so manchem Liebespaar zu seinem Glück.
"Im Namen der Heiligen" ist das erste Abenteuer aus dieser Reihe. Und es enthält bereits mehr oder weniger alle Zutaten, die die Fans der Reihe schätzen. Bruder Cadfael stößt auf ein Verbrechen, meist einen Mord, der von den offiziellen Stellen entweder gar nicht oder nicht angemessen aufgeklärt zu werden droht. Also macht sich der Detektiv in der Mönchskutte auf die Suche nach der Wahrheit. Dabei lässt er sich nur wenig von Rang und Namen beeindrucken. Seine jahrzehntelange Erfahrung, die ihn unter anderem als Kreuzritter ins Heilige Land geführt hat, und seine Kenntnisse als Kräuterkundiger des Klosters helfen ihm oft bei seinen Nachforschungen.
Nervenzerfetzende Spannung oder atemberaubende Action sollte der Leser hier nicht erwarten. Natürlich bleibt "Im Namen der Heiligen" ein Krimi, in dem ein Mörder gefunden werden muss. Aber das Hauptaugenmerk liegt darauf, wie der Mönch gewissermaßen die Welt wieder in Ordnung bringt. Einer der Brüder aus der Delegation verliebt sich in ein hübsches walisisches Mädchen und bereut seine Gelübde? Die Indizien beim Mord an Rhisiart weisen auf einen Angelsachsen hin, der aus seiner Heimat geflohen ist, dem aber niemand die Tat zutraut? Cadfael hat für alles eine Lösung. Man könnte den Roman als Wohlfühl-Krimi bezeichnen: Ein Verbrechen bringt die Dinge aus dem Gleichgewicht, und der ermittelnde Bruder stellt die Ordnung wieder her. Er ist ein Seelsorger im wahrsten Sinne des Wortes. Er sorgt dafür, dass jeder das bekommt, was sie verdient.
Das soll jedoch nicht heißen, dass die Geschichte in irgendeiner Form dröge und uninteressant wäre. Speziell das Kreieren von Charakteren gehört zu den Talenten der Autorin. Sie braucht nur wenige Sätze, teils nur einzelne Worte, um ihren Figuren Gestalt zu verleihen. Da ist der hochmütige, karrierebewusste Prior Robert, der etwas naive Dorfpriester Huw, die kluge und selbstbewusste Sioned, Tochter des Gutsbesitzers Rhisiart und viele andere mehr. Die Freude beim Lesen von "Im Namen der Heiligen" stammt nicht zuletzt aus den psychologisch stimmigen Interaktionen zwischen allen diesen Charakteren.
Auch als Krimi funktioniert das Buch gut. Lange ist unklar, wer der Täter ist und wie er die Tat begehen konnte, noch länger bleibt offen, ob und wie er zur Verantwortung gezogen werden kann. Historisch ist der Roman ebenfalls sehr stimmig, erstaunlich viele Figuren beziehen sich auf reale Vorbilder. Wie viel der echte Prior Robert mit seiner literarischen Ausgestaltung gemein hatte, sei einmal dahingestellt. Das Mittelalter dient außerdem nicht nur als Kulisse, die damaligen Moralvorstellungen, sozialen Hierarchien und Rechtssysteme werden gut in die Handlung eingebaut.
Die "große Politik", die in anderen historischen Krimis oft im Zentrum steht, wenn es mindestens um einen Putsch um den Königsthron geht, ist in "Im Namen der Heiligen" nahezu vollständig abwesend. Die weltlichen und geistlichen Machthaber von Wales haben ihren Auftritt, aber sie bleiben am Rand der Bühne.
In vielen Genres gibt es Größen, an denen andere Autoren gemessen werden. Wer epische Fantasy schreibt, wird oft mit Tolkien verglichen, bei einem Geheimagent ist der Bezug zu 007 unvermeidlich. Im Bereich der historischen Krimis, erst recht wenn sie im englischen Mittelalter spielen, ist Bruder Cadfael dieser Maßstab. Der erste Band seiner Abenteuer zeigt bereits, warum das so ist.
Fazit:
Ein kluger und lebenserfahrener Benediktinermönch klärt Verbrechen auf. Bereits mit diesem ersten Abenteuer zeigt Ellis Peters, warum ihr Bruder Cadfael als Maßstab für viele historische Krimis gilt. Anstelle von nervenzerfetzender Spannung und atemberaubender Action setzt "Im Namen der Heiligen" eher auf stimmige Charaktere und einen Helden, der die durch ein Verbrechen aus dem Gleichgewicht geratene Welt wieder in Ordnung bringt.
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Ellis Peters
Bruder Cadfael 01: Im Namen der Heiligen
A morbid taste for bones
Übersetzer: Eva Malsch
Erscheinungsjahr: 1985
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Heyne Verlag
ISBN: 978-3453020504
232 Seiten
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