Bronzeschatten
Story:
Rom, im Jahr 71 n. Chr. unserer Zeitrechnung. Gerade erst hat Marcus Didius Falco das Komplott gegen den neuen Kaiser Vespasian aufgedeckt, von dem in Silberschweine berichtet wurde. Jetzt soll er als überbeschäftigter, aber dafür unterbezahlter kaiserlicher Agent alle Spuren verwischen. Denn offiziell gab es den Umsturzversuch nie, zumal auch einige hohe Würdenträger und Adlige sich die Finger schmutzig gemacht hatten.
Zu seinen Aufgaben gehört es unter anderem, den geflohenen Verschwörern ein Angebot des Herrschers zu überbringen: Sie halten den Mund und sind zukünftig loyal, dafür bekommen sie einen guten Posten irgendwo weitab vom Schuss. Aber schon den ersten von ihnen trifft der Agent nur noch als Leiche an. Auch auf den zweiten wird ein Anschlag verübt, und sogar Falco selbst macht unliebsame Bekanntschaft mit einem Knüppel.
Damit er wenigstens seinen kargen Lohn kassieren kann, muss der Ermittler weitere Morde verhindern. Neben der großen Politik bereitet ihm auch die große Liebe Kopfzerbrechen, hat er doch gerade erst die Frau seines Lebens kennengelernt. Aber Helena Justina ist die Tochter eines reichen Senators, während er selbst noch mindestens 900 Jahre ackern muss, um wenigstens in den mittleren Rang aufzusteigen. Also wird es am besten sein, wenn die beiden sich trennen – oder?
Meinung:
Wenn etwas gut ankommt, kann es nicht ganz falsch sein, noch mehr davon anzubieten. Das mag sich auch Lindsey Davis gedacht haben, als ihre "Silberschweine" viele Fans überzeugen konnten. Die "Bronzeschatten" hätten auch ohne weiteres zusätzliche Kapitel des Vorgängers sein können. Die beiden Romane schließen nicht nur zeitlich fast unmittelbar aneinander an, auch der Fall, in dem Schnüffler ermittelt, ist im Endeffekt noch derselbe.
Einen Unterschied gibt es jedoch: Während im ersten Roman der Leser noch Zeuge der langsamen Annäherung von Helena und Falco war, ist hier von Beginn an klar, dass die beiden sich innig lieben. Das hält sie aber nicht davon ab, über 90 Kapitel zu schwanken zwischen dem Gefühl, sie könnten es mit der ganzen Welt aufnehmen, solange sie nur einander haben, und tiefer Resignation, dass ihre Beziehung sowieso zum Scheitern verurteilt ist. Außerdem ist der eine wie die andere oft zu stolz und starrköpfig, sich selbst und einander ihre Gefühle einzugestehen.
Darüber kann ein Komplott gegen den Kaiser schon mal in den Hintergrund geraten. Zwar spielt der Fall, in dem Vespasians neuer Schnüffler ermittelt, immer eine Rolle und treibt die Handlung voran. Aber gegen die Liebesgeschichte bleibt ihm fast immer nur die zweite Geige. Trotzdem hat es die Autorin geschafft, eine spannende Geschichte zu erzählen. Dazu trägt nicht zuletzt bei, dass beide Handlungsstränge inhaltlich verbunden sind, ist einer der Hauptverschwörer doch Helenas Ex-Ehemann. Außerdem scheint es immer zumindest theoretisch möglich, dass Falco am Ende scheitert – sei es, weil er seine Befugnisse überschreitet oder der Palast doch eine andere, unauffälligere Lösung vorzieht, sei es, weil seine Gegner vor kaum etwas zurückschrecken.
Die Betonung des Privatlebens des Detektivs und die Tatsache, dass er zur Tarnung einen Teil seiner eigenen Familie und die seines besten Freundes mitgebracht hat, führen auch dazu, dass man die ganze Bagage gut kennenlernt und sie einem ans Herz wachsen. Manchmal möchte man nicht nur dem Helden und seiner Herzdame einen unauffälligen Schubs in die richtige Richtung geben.
Was die historische Genauigkeit angeht, fallen auch dem vorgebildeten Laien keine groben Schnitzer auf. Allerdings dient das alte Italien vor allem als Kulisse, die Handlung hätte mit wenigen Änderungen problemlos an einem anderen Ort oder zu einer anderen Zeit angesiedelt sein können. Die Einbeziehung der Zeit Vespasians ist im ersten Band besser gelungen.
Theoretisch kann man "Bronzeschatten" unabhängig von der Reihe lesen. In diesem Fall entgehen einem dann aber diverse kleine Anspielungen, die aus den "Silberschweinen" heraus verständlich werden und das Lesevergnügen nochmal steigern.
Wie viele der frühen Bände der Serie ist auch dieser zurzeit nur antiquarisch zu bekommen. Aber die knapp 600 Seiten sind etwas mehr Aufwand allemal wert.
Fazit:
Der zweite Band mit Falcos Abenteuern hätte auch als zusätzliche Kapitel des ersten funktioniert, so eng wird die Geschichte weitergeführt. Gegen die Liebesgeschichte zwischen ihm und Helena spielt die Kriminalgeschichte öfter die zweite Geige, was der Spannung aber keinen Abbruch tut.
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Lindsey Davis
Bronzeschatten
Shadows in Bronze
Übersetzer: Christa Seibicke
Erscheinungsjahr: 1995
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Knaur
ISBN: 3-426-63011-7
588 Seiten
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