Phantastische Zeiten in Hannover - Der Chef ist auf Reisen
Story:
Ein äußerst fantasiebegabter Bürgermeister, wissbegierige Forscher in der Tierärztlichen Hochschule, riesige Atomschutzbunker unter den Herrenhäuser Gärten, ein Appartment in der Lavesalle, das garantiert in den Wahnsinn treibt, über dem Maschsee kreisende Drachen und der Bahnhof als Epizentrum des Weltuntergangs… Die niedersächsische Landeshauptstadt hat mehr zu bieten, als sich selbst eingefleischte Hannoveraner vorstellen können.
Dreizehn Autorinnen und Autoren führen Sie hinter den Vorhang der Realität und zeigen Ihnen die phantastischen Seiten von Hannover.
Meinung:
2008 erschien mit "Eldorado" der erste "Phantastische Zeiten" Band. Dem Leser bot sich eine bunte Mischung aus diversen Kurzgeschichten, die die verschiedensten Genres der Phantastik nutzten. Ein Jahr später veranstaltete die Zeitschrift "Prinz" wieder einen Story-Wettbewerb, dessen Gewinner erneut in einem Buch gesammelt herausgegeben werden sollten. Im Unterschied zum letzten Jahr gab es dieses Mal jedoch eine Bedingung, die erfüllt werden musste: Alle Erzählungen mussten etwas mit der Stadt Hannover zu tun haben. Eine Herausforderung, die (fast) alle Autoren erfüllten.
Beim Lesen fällt auf, das die Atmosphäre in den meisten Kurzgeschichten relativ düster ist. Dies fällt besonders in den Science-Fiction-Erzählungen auf, die meistens von Fehlschlägen der Wissenschaft handeln. "Attraktion" von Saven Van Dorf ist so eine. In ihr erzählt der Autor, wie aufgrund eines misslungenen Experiments die gesamte Realität sich zu verändern begibt. Feen und Einhörner tauchen auf und greifen die Menschen an, während bestimmte Alltagsgegenstände wie Fahrräder lebendig werden und ihre Reiter essen. Beim Lesen kriegt man eine richtige Gänsehaut, und ist enttäuscht, wenn plötzlich die Geschichte zu Ende ist.
Immer noch Horror, aber in eine gänzlich andere Kerbe schlägt "Und der Teufel spielt Klavier" von Thomas Pielke. Es ist verwunderlich wieso die Geschichte des in Celle geborenen Autors, von dem bereits einige Sachartikel publiziert wurden, in das Buch reingenommen wurde, denn ein Bezug zu Hannover lässt sich nicht feststellen. Doch ist dies kein Manko, da er eine der besten Geschichten des Bandes schreibt. Die junge Marlene verbringt ihre Sommerferien bei ihrer Großmutter, als sie auf ihrem Dachboden auf ein altes Klavier stößt. Es heißt, dass regelmäßig der Teufel darauf spielt, und dass man ihn dabei nicht stören darf. Ein wenig fühlt man sich beim Lesen an die alten Grusel-Klassiker wie "Frankenstein" erinnert.
Doch nicht nur Schocker existieren in "Phantastische Zeiten", sondern auch Geschichten die einen zum Lachen bringen. Hier ist Flavio Redlichs "Im Jazzclub ist die Hölle los" geradezu exemplarisch. Der Autor erzählt, wie ein junger Mann von einer Achtelnote um Hilfe geben wird, um in einem Club die wild gewordenen Metall-Blas-Instrumente zu bändigen. Dass er dabei nicht so sehr auf Jazz steht, ist fürs erste nicht von Belang. Diese Erzählung ist herrlich erzählt und weiß mit diversen Pointen zu überzeugen.
Fast alle Kurzgeschichten sind gelungen. Es gibt nur wenige die enttäuschen. Der Grund hierfür ist meistens, dass das Ende zu abrupt kommt, gerade dann als es interessant wird. Man hat das Gefühl, das die Handlung kurz angerissen wurde und man durchaus noch ein paar Seiten mehr hätte schreiben können. Exemplarisch hierfür ist "Feuerwasser" von Sascha Vennemann. Der Autor ist Schreiber, unter anderem für die Sternenfaust Roman-Serie im Bastei-Verlag und war Lektor des ersten "Phantastische Zeiten"-Bands. Seine Geschichte spielt in einem atomar verwüsteten Hannover, wo ein Überlebender auf der Oberfläche versucht, einem Roboter zu entkommen, der von einem Bunker unter den Herrenhäuser Gärten gesteuert wird. Weder erfährt man, wieso er diese Gegend durchquert, noch erhält man tiefergehende Informationen über die Bunker-Bewohner. Hier hätten ein paar Seiten mehr der Geschichte sicherlich gut getan.
Fazit:
"Phantastische Zeiten in Hannover - Der Chef ist auf Reisen" bietet eine bunte Mischung aus dreizehn Kurzgeschichten, die diverse phantastische Genres abdecken. Eine leichte Neigung zum Unheimlichen lässt sich feststellen, da der Grundtenor der meisten Geschichten recht düster ist. Doch nicht nur der Grusel wird bedient sondern auch der Humor. Leider gibt es einige Kurzgeschichten, die ziemlich plötzlich enden, obwohl man der Auffassung ist, dass sie durchaus noch einige Seiten mehr gut hätten vertragen können.
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