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Der Dichter im Zentrum des Labyrinths - Rundgang durch die Präsentation des Gastlandes Argentinien
Für seine Präsentation auf der Frankfurter Buchmesse 2010 hat Argentinien das wohl zugänglichste Labyrinth seit langem geschaffen. Neben der argentinischen Literatur, die auf einer Buchmesse natürlicherweise großen Raum einnimmt steht, kann sich der Besucher ein Bild des ganzen Landes machen. Dafür haben sich die Macher einiges einfallen lassen.

Auf vielen Bildschirmen werden Szenen aus Literaturverfilmungen gezeigt. Die "Wand der Menschenrechte" erinnert mit Graffitis, die sich für oder gegen die verschiedensten Anliegen oder Ideen aussprechen, an die Verfolgungen zur Zeit der Militärdiktatur. Auch ansonsten wird die dunkle Zeit nicht ausgespart. In einem stilisierten Verbotsschild werden Bücher vorgestellt, die während der Diktatur verboten waren oder sogar verbrannt werden mussten. Außerdem gedenkt die Präsentation Schriftstellern und Journalisten, die von der Junta ermordet wurden.

Sogar über die Farbe des Teppichbodens haben die Gestalter sich Gedanken gemacht: In dem Bereich, der sich mit der Militärdiktatur befasst, ist der Boden grau. Wenige Schritte weiter wird er blau, was den Ozean und, im übertragenen Sinne, das föderale Argentinien und seine kulturelle und natürliche Vielfalt symbolisieren soll. Auf ein Podest mit den Umrissen Argentiniens werden Naturschätze, historische Gebäude und Orte des kulturellen Erbes projiziert. Hier zeigt sich, dass auch die Welt der Bücher nicht völlig frei von Politik bleibt: Man legte Wert darauf, dass die Islas Malvinas, die Falklandinseln, zu Argentinien gehörten.

Ein wichtiger Punkt in der Präsentation sind auch die verschiedenen Einflüsse, die Einwanderer aus aller Welt in den zweihundert Jahren seit der Unabhängigkeit in das Land brachten. Beispielsweise kamen in den 1930er Jahren viele Deutsche nach Argentinien, von denen einige wichtige Beiträge zu Kultur und Wissenschaft des Landes leisteten. Aber auch die neuere Immigration etwa aus Bolivien oder Peru, aus Korea und vielen anderen Ländern ist Thema. Natürlich darf auch der Tango nicht fehlen.

Einen eigenen Bereich widmet die Präsentation des Gastlandes den Themen Bildung, Wissenschaft und Kultur. Hier können die Besucher nicht "nur" die Bilder, Texte und anderen Exponate betrachten, sondern auch selbst inter-aktiv werden. Eine Kamera nimmt beispielsweise Bilder des Publikums auf, in die per Computer virtuelle Seifenblasen eingesetzt werden. Diese Blasen kann der Betrachter "berühren" – wenn er sie denn erwischt, was gar nicht so einfach ist. Ebenfalls faszinierend ist beispielsweise ein virtuelles Fenster in sechs argentinische Laboratorien. Ein Monitor ist auf einem schwenkbaren Arm befestigt, und je nach Position zeigt er die Ansicht eines Labors, wie es sich aus diesem Blickwinkel darstellen würde.

Argentinische Comics gibt es nicht nur im Comiczentrum, worüber wir im Laufe der Messe noch ausführlich berichten werden. Auch in der zentralen Präsentation des Gastlandes spielen sie eine Rolle, nämlich in Form eines Wandbildes des Zeichners Rep. Dieses Mural ist so frisch und aktuell, dass der Zeichner während des Presserundgangs noch an einigen Figuren arbeitete.

Der Tango hatte bereits seinen Auftritt, bleiben zum Abschluß noch die beiden anderen Leidenschaften der Argentinier: Evita Peron und Fussball, genauer Diego Maradonna. Auch ihnen widmen sich Bilder, Texte, Exponate und beispielsweise ein Video aus Maradonnas aktiver Karriere auf dem grünen Rasen.

All diese Punkte sind nicht in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet; jeder Besucher kann sich selbst ein eigenes Bild von Argentinien erschließen. Und auch wenn die Architektur sich an einem Labyrinth orientiert hat, es besteht keinerlei Gefahr, nicht wieder herauszufinden – höchsten, weil man über der Vielfalt des Dargebotenen und des Landes die Zeit vergessen hat.

Für Irritationen sorgte allerdings die parteipolitische Gewichtung. Dass die aktuelle Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner gelegentlich auftauchte, mag noch mit ihrem Amt zu erklären sein. Dass die Präsentatorin aber von "wir Peronisten" sprach, mag für einige Zuhörer ungewohnt sein. Bei einer Präsentation Deutschlands auf einer ausländischen Messe würde der Vortragende vermutlich nicht darauf hinweisen, dass er beispielsweise in der CDU sei.

Daten dieses Berichts
Bericht vom: 05.10.2010 - 15:50
Kategorie: Tagebuch
Autor dieses Berichts: Henning Kockerbeck
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