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Mehr als man denkt oder Die Kraft der Stille - Die Präsention des Ehrengastes Neuseeland
Nach der Pressekonferenz zur Eröffnung der Buchmesse folgte auch 2012 ein weiterer vertrauter Programmpunkt, der Rundgang durch die Präsentation des Ehrengastes. Nachdem im vergangenen Jahr Island ohne Übertreibung neue Maßstäbe gesetzt hatte, war die Frage, ob Neuseeland das noch würde toppen können. Der erste Eindruck: Sie können es nicht. Aber das war eine voreilige Einschätzung.

Denn als die Pressevertreter in den Pavillion geführt wurden, sah es zunächst nach nicht viel aus. Beträchtliche Teile des Bodens waren durch glänzende Flächen, vielleicht Plexiglas, belegt. Den dunklenen Raum erhellten nur einige große Leinwände mit dem Motto der Präsentation - "While you were sleeping", "Bevor es bei Euch hell wird". Im Hintergrund war wie zurückhaltend ein Gesang in der Sprache der Maori zu hören. Vom Band, so die erste Vermutung.

Aber dann wurden die Medienleute um einen großen schwarzen Vorhang geführt, und dort stand auf der Bühne der Sänger. Der Gesang war also sehr wohl live und Teil der Eröffnung, die sich als eine Mischung aus Begrüßung und spiritueller Segnung der Präsentation verstand. Nach und nach gesellten sich weitere Künstler dazu, die teils sangen, teils deklamierten – und das alles auf Maori. Zum (vorläufigen) Abschluss fragte einer der Sänger, wer aus dem Publikum zumindest ein Wort verstanden hätte. Wie zu erwarten blieben fast alle Hände unten. Aber, so das Fazit, was konkret gesagt wurde stehe gar nicht im Vordergrund, sondern die Vermittlung der spirituellen Essenz, der Atmosphäre. Und das war eindeutig gelungen.

Für die "amtsoffizielle" Eröffnung war Christopher Finlayson, der neuseeländische Minister für Kunst und das kulturelle Erbe, nach Frankfurt gekommen. Als nächstes trug ein Dichter seine Interpretation einer Begegnung vor, die Neuseeland prägte: Kapitän Cook trifft auf einen Maori-Krieger.

Bis hierhin zeigte die Pressemeute noch eine (nicht nur bei Medienleuten) verbreitete Unsitte, einige schwatzten, man lief vor der Bühne hin und her. Aber der nächste Programmpunkt sollte die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich fixieren: Die Gruppe Te Matarae i Orehu, nach Angaben der Organisatoren die weltbeste Kapa-Haka-Formation, zeigten ihre Kunst. Die Zeremonie ist hierzulande vor allem als eine Art Kriegstanz bekannt, und tatsächlich hätten die wilden Gesichtsausdrücke und Rufe der Tanzenden einen das Fürchten lehren können. Aber ein Haka ist mehr. Der Tanz soll die Kultur und Geschichte der Maori ausdrücken und ist ein Bestandteil vieler Willkommenszeremonien – also genau passend für die Eröffnung des Ehrengastpavillions.

Der nächste Teil der Einführung fand wiederum auf der anderen Seite des schwarzen Vorhangs statt, und dabei zeigte sich schnell, dass die Gestaltung des Pavillions nur scheinbar simpel ist. Auf den großen Leinwänden startete eine phantasievolle Videopräsentation, in der sich ein Universum aus Buchstaben entfaltete. Denn ganz am Anfang, bevor allen Büchern, waren die Geschichten, die mündlich von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Nach und nach entwickelte sich daraus ein Rundgang durch die Geschichtenwelt des Landes, in Buchstaben oder Film. Und es zeigte sich, dass der Beginn in noch einer Hinsicht getäuscht hatte: Das vermeintliche Plexiglas, das erstaunlich weite Teile des Boden bedeckte, war tatsächlich etwas beim Thema Neuseeland eigentlich völlig logisches – Wasser.

Die Präsentation einer Insel am, von Europa aus gesehen, anderen Ende der Welt war also buchtäblich von Wasser umgeben. Und die flachen Becken waren nicht einfach nur da, sie wurden gekonnt in die Präsentation eingebunden. Mal lief jemand langsam durch ein Becken und setzte sich zum (Vor-)Lesen auf ein kleines Podest, mal machte es sich jemand auf einem anderen Podest mit einem Buch gemütlich, wie in einem Bett. Und mal kam ein kräftiger Regenschauer von der Decke, unter dem ein Performer wie unter einer Dusche stand – oder schlicht draußen in der Regenzeit.

Insgesamt kann man die Präsentation des Ehrengastes der diesjährigen Buchmesse auf einen Nenner bringen: Die Kraft der Stille. Denn ruhig, verstanden als Abwesenheit sowohl von Lärm als auch von Hektik, war die gesamte Eröffnung, vielleicht abgesehen vom etwas lauteren Haka. Aber diese Zurückhaltung sollte man nicht mit Schwäche verwechseln. Hinter der scheinbar simplen Fassade wurde eine große Kraft, eine enorme Intensität spürbar. Kein Wunder, dass – um nur noch ein Detail zu erwähnen – ein Teil der Videopräsentation sich mit nichts geringerem als der Entstehung des Universums beschäftigte.

Zu Beginn dieses Berichts stand die Frage, ob Neuseeland die Präsentation des Ehrengastes 2011, Island, übertreffen konnte. Am Ende des Rundgangs konnte die Antwort nur lauten: Und ob. Wer nicht in den Medien arbeitet, hat übrigens ebenfalls Gelegenheit, zumindest einen Teil der beschriebenen Erfahrungen auch selbst zu machen: Die Kapa-Haka-Formation Te Matarae i Orehu und die Tatau Pacific Dance Group eröffnen jeden Morgen die Messe. Spätestens das sollte auch für die kommenden Tage zu einem Besuch im Pavillion im Forum Ebene 1 verlocken.



Daten dieses Berichts
Bericht vom: 09.10.2012 - 14:44
Kategorie: Filmmitschnitte
Autor dieses Berichts: Henning Kockerbeck
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